Ein Friedensgebet gegen das Hexenwerk des Krieges / A Peace Prayer Against the Witchcraft of War

Ein Lied von Boris Grebenschtschikow über guten und bösen Zauber / A Song by Boris Grebenshchikov about Good and Evil Magic

In seinem Lied Vorozhba (Zauberkräfte) stellt der russische Singer-Songwriter Boris Grebenschtschikow den bösen Zauber des Krieges den heilenden Zauberkräften eines Handelns gegenüber, das auf dem Streben nach einem Leben im Einklang mit sich selbst und der Welt beruht.

English Version

Grebenschtschikows „Nein zum Krieg“

Mit Boris Grebenschtschikow hat eine weitere legendäre Figur der russischen Liedermacherszene gleich zu Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine den Krieg vehement verurteilt. In einem Facebook-Post bezeichnete er ihn als „Wahnsinn“ und als eine „Schande für Russland“: „Эта война – безумие и позор России.“

Einige Zeit darauf hat Grebenschtschikow auch musikalisch auf den Krieg geantwortet – mit dem Lied Vorozhba (Zauberkräfte). Darin stellt er zwei Formen von Magie einander gegenüber: die zerstörerische dunkle Magie und die erlösende helle Magie.

Helle und dunkle Magie

Die dunkle Magie hüllt die Welt in einen giftigen Nebel und vernichtet sie in einem gewaltigen Feuersturm. Dessen Leuchtkraft führt gleichzeitig zu Verblendung, so dass die Betroffenen nicht oder zu spät erkennen, was mit ihnen geschieht.

Die helle Magie dagegen kann die Welt retten. Sie steht für die Erfahrungsweisheit der Alten und die religiöse Weisheit vergeistigter Menschen. Dass Grebenschtschikow Letztere als Yogis porträtiert, verweist dabei auf seinen buddhistischen Glaubenshintergrund.

Gleichzeitig betont der Buddhismus aber auch mehr als alle anderen Religionen die gegenseitige Verflechtung alles Lebendigen. Dadurch wird besonders deutlich vor Augen geführt, dass jede Zerstörung in Teilbereichen des Lebens auch alle anderen Lebensformen in Mitleidenschaft zieht.

Kein innerer ohne äußeren Frieden

Auf der Ebene des seelischen Lebens bedeutet das: Innere Harmonie ist abhängig von der äußeren Harmonie, Krieg und innerer Frieden sind unvereinbar.

Diese Erkenntnis ist natürlich unabhängig vom buddhistischen Glauben gültig. Die Anspielung auf den Yogi fasst sie lediglich in einem schlüssigen Bild zusammen. Gleiches gilt auch für die von Grebenschtschikow in dem Lied erwähnten Alten.

Auch hier geht es nicht darum, ganz konkret bei den Großeltern anzufragen, ob sie nicht mit ein paar Zaubertricks den Krieg hinwegzaubern können. Der Verweis auf das Erfahrungswissen der Alten ist vielmehr eine Aufforderung an uns alle, weise zu handeln und alles zu tun, um einem Krieg, der den geistigen Möglichkeiten des Menschen Hohn spricht, Einhalt zu gebieten.

Zauberkräfte

Siehst du, Großvater, die Spur des Verfalls
an unserem Himmel? Und du, Großmutter:
Spürst du den Nebel der Fäulnis?
Ach, zaubert, zaubert ihn hinfort,
sonst wird es kein Morgen mehr geben!

Siehst du, Krieger, den nutzlosen Himmel?
Spürst du, Yogi, wie wir im Fluss
unseres eigenen Lebens versinken?
Ach, ruft, ruft aus Leibeskräften
nach Ihm, der uns vergessen hat!

Nun sind die Vulkane ausgebrochen.
Der Feuersturm verschlingt uns alle,
auch wenn nicht wir ihn angefacht haben.
Er, der aus seiner Mordlust lebt,
hat uns’re Welt mit einem Fluch belegt.

In Särge hat dies Hexenwerk
unsere Herzen eingemauert.
Wie hell haben sie einst gestrahlt!
Wie eisern hält sie nun umschlossen
die Finsternis der Hexengruft!

Großvater, ach, und du, Großmutter:
Zaubert es herbei, das erlösende Licht!
Lasst es mit seiner leuchtenden Schrift
unsere Herzen erhellen! Solange ich atme,
werde ich betend darauf warten.

Борис Гребенщиков (Boris Grebenschtschikow): Ворожба (Vorozhba)

Unplugged:

Live, mit der Band Aquarium / with the band Aquarium:

Weitere Beiträge zu Boris Grebenschtschikow:

Der Traum vom einfachen Leben (zu dem Song Kostroma, mon amour)

Die hungrigen Geister und der befreite Geist (zu dem Song Kladbischtsche / Friedhof)

Über Boris Grebenschtschikow:

Der 1952 geborene Künstler gründete während seines Mathematikstudiums in St. Petersburg zusammen mit Anatolij Gunitskij die Band Aquarium. Während er wissenschaftlich zu arbeiten begann, trat er parallel mit der bis heute in wechselnden Besetzungen bestehenden Band auf und rief die Rockzeitschrift Roksi ins Leben.

Obwohl die Band 1981 verboten wurde und Grebenschtschikow zusätzlich seine Arbeit verlor, wurde er eine zentrale Figur der oppositionellen Musikszene. So half er etwa dem legendären Viktor Tsoj (Tsoi) und seiner Band Kino bei der Produktion ihres ersten Albums und arbeitete auch mit der Kult-Band Maschina Wremjeni zusammen. Im Zuge der Perestroika wurde Grebenschtschikow zu einem Idol der russischen Jugend.

Nachdem er sich seit Beginn der 1990er Jahre intensiv mit dem Buddhismus beschäftigt hatte, lernte Grebenschtschikow 2006 den aus Indien stammenden geistlichen Gelehrten Sri Chinmoy kennen, mit dessen Schülern er u.a. ein Konzert in der Londoner Royal Albert Hall gegeben hat. Außerdem hat er Schriften des tibetischen Lamas Tulku Urgyen Rinpoche ins Russische übersetzt.

English Version

A Peace Prayer Against the Witchcraft of War

A Song by Boris Grebenshchikov about Good and Evil Magic

In his song Vorozhba (Magic Powers), the Russian singer-songwriter Boris Grebenshchikov contrasts the evil magic of war with the healing magic of a life based on striving for harmony with oneself and the world.

Grebenshchikov’s „No to War“

With Boris Grebenshchikov, another legendary figure of the Russian singer-songwriter scene vehemently condemned the war right at the beginning of the Russian invasion of Ukraine. In a Facebook post, he called it „madness“ and a „disgrace for Russia“: „Эта война – безумие и позор России.“

Some time after that, Grebenshchikov also responded musically to the war – with the song Vorozhba (Magic Powers). In it, he contrasts two forms of magic: destructive dark magic and redemptive light magic.

Dark and Light Magic

Dark magic envelops the world in a poisonous mist and destroys it in a violent firestorm. At the same time, its dazzling light leads to blindness, so that those affected do not or only too late realise what is happening to them.

Bright magic, by contrast, can save the world. It stands for the wisdom of experience of the ancients and the religious wisdom of spiritualised people. The fact that Grebenshchikov portrays the latter as yogis refers to his Buddhist background.

Apart from that, Buddhism also emphasises the interconnectedness of all living things more than any other religion. This makes it particularly clear that any partial destruction of life also affects all other forms of life.

No Inner Peace Without Outer Peace

In terms of spiritual life, this means that inner harmony is dependent on outer harmony, and that war and inner peace are incompatible.

This insight is, of course, valid independently of the Buddhist faith. The allusion to the yogi merely sums it up in a coherent image. The same applies to the old people mentioned by Grebenshchikov in the song.

Here, too, it is not a question of asking one’s grandparents concretely to conjure away the war with a few magic tricks. The reference to the experiential knowledge of the ancients is rather an appeal to all of us to act wisely and do everything possible to put an end to a war that violently ignores the spiritual possibilities of human beings.

Magic Powers

Do you see, grandfather, the trace of decay
in our sky? And you, grandmother:
Do you feel the putrid fog?
Oh, conjure, conjure it away,
or else there will be no tomorrow!

Do you see, warrior, the useless sky?
Do you feel, Yogi, how we are drowning
in the stream of our own life?
Oh, call, call with all your might
for Him who has forgotten us!

Now the volcanoes have erupted.
The firestorm devours us all,
even if we didn’t start it.
He, who lives by his lust for murder,
has put a curse on our world.

This witchcraft has walled up our hearts
in coffins of icy iron.
How brightly they once shone!
How tightly they are now enclosed
by the darkness of the demon’s tomb!

Please, grandfather, and you, grandmother:
Conjure it up, the redeeming light!
Let it illuminate our hearts
with its shining writing!
As long as I breathe
I will wait and pray for it.

Борис Гребенщиков (Boris Grebenshchikov): Ворожба (Vorozhba)

Song, unplugged

Live, with the band Aquarium

More posts on Boris Grebenshchikov:

The dream of the simple life (about the song Kostroma, mon amour)

The hungry spirits and the liberated spirit (about the song Kladbishche / Graveyard)

About Boris Grebenshchikov:

Born in 1952, the artist founded the band Aquarium together with Anatoly Gunitsky during his studies of mathematics in St. Petersburg. While he began to work scientifically, he performed in parallel with the band, which still exists to this day in changing line-ups, and founded the rock magazine Roksi.

Although the band was banned in 1981 and Grebenshchikov was additionally dismissed, he became a central figure in the oppositional music scene. For example, he helped the legendary Viktor Tsoj (Tsoi) and his band Kino produce their first album and also worked with the cult band Mashina Vremeni. In the course of perestroika, Grebenshchikov became an idol of Russian youth.

After intensively studying Buddhism since the early 1990s, Grebenshchikov met the Indian-born spiritual savant Sri Chinmoy in 2006, with whose disciples he gave a concert at London’s Royal Albert Hall, among others. He has also translated writings by the Tibetan lama Tulku Urgyen Rinpoche into Russian.  

Bilder / Images: Iwan Martschyk: Boris Grebenschtschikow beim Atlas Festival (Atlas Weekend) in Kiew / Boris Grebenshchikov at the Atlas Festival (Atlas Weekend) in Kiev (Wikimedia commons); Leon Bakst: Zauberer; Kostümskizze für Igor Strawinskys Ballett Der Feuervogel / costume sketch for Igor Stravinsky’s ballet The Firebird(Wikimedia commons)

Eine Antwort auf „Ein Friedensgebet gegen das Hexenwerk des Krieges / A Peace Prayer Against the Witchcraft of War

  1. Svetlana

    Ein beeindruckender Text eines beeindruckenden Menschen. Vielen Dank dafür! – Hoffen wir, dass Russland wieder in einen Zustand innerer und äußerer Harmonie kommt. Es ist die innere Zerrissenheit, die Unzufriedenheit, die sich Bahn bricht und die Putin für seine Zwecke und Pläne kanalisiert hat… Und nun müssen so viele Menschen sinnlos sterben.

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