Chizh (Tschisch) und Co: Krugom tajga … (Ringsum Taiga …)

Ein russisches Freiheitslied

Im Vorfeld der Moskauer Kommunalwahlen sind mehrere KandidatInnen der Opposition von der Wahlkommission aus fadenscheinigen Gründen von der Wahl ausgeschlossen worden. Dies war der Auslöser für die größten Protestkundgebungen, die es in Russland seit 2011 (im Anschluss an die damaligen Parlamentswahlen) gegeben hat. Ein klarer Beleg dafür, dass die Menschen in Russland sich die permanenten Einschränkungen ihrer Freiheit nicht mehr bieten lassen.

Mich hat dies an eines der schönsten Freiheitslieder erinnert, die ich kenne: Krugom tajga (‚Ringsum Taiga …‘) von der Band Tschish (‚Zeisig‘). Der Song thematisiert den Ausbruch eines Gefangenen aus einem Arbeitslager. Zwar findet der Ausbrecher sich in der Wildnis der Freiheit nicht mehr zurecht und wird am Ende wieder eingefangen. Er nippt gleichsam nur an der Freiheit, von der er – wie es in dem Lied heißt – nur einen kleinen „Schluck“ zu sich nehmen kann.

Den kurzen Moment, in dem er die Freiheit erleben darf, genießt er aber wie einen erlesenen Wein. Auch wenn er nicht dauerhaft in Freiheit leben kann, wird der kurze Freiheitsrausch damit als Utopie in ihm lebendig bleiben und ihm – wie man wohl hoffen darf – die Kraft geben, die verbleibende Lagerhaft zu überstehen. Ebenso werden die erneuten Proteste in Russland die Menschen vielleicht dazu ermutigen, so lange für ihre Freiheitsrechte zu kämpfen, bis der Staat ihnen diese gewährt.

Die Wirkung des Liedes lebt stark von der emotionalen Ausdruckskraft des Sängers der Band, Sergey Nikolayevich „Chizh“ Chigrakov, in dessen leidenschaftlichem Gesang sich die Sehnsucht nach der Freiheit glaubhaft widerspiegelt. Dies wird vor allem in der Live-Version deutlich. Sehr schön ist aber auch eine bebilderte Version des Songs, mit passenden Impressionen zu den einzelnen Liedzeilen.

pattern-3119825_1920 Johannes Pleniomit Text

Text

Übersetzung:

Ringsum Taiga …

Im Sägewerk bin ich vor lauter Saufen ganz stumpfsinnig geworden,
und nachts habe ich mich beim Geflüster der Ketten mit starkem Tee betäubt.
Man weidet nicht neben der Futterkrippe, wie der letzte Schakal.[1]
Ich habe die Trassen ausgekundschaftet, und eines Tages bin ich abgehauen.

Ringsum nichts als Taiga und Braunbären,
wild und angriffslustig – es ist wieder Frühling.
Nur ein schwarzer Rabe kreist träumend über mir
und schenkt mir einen Schluck Freiheit, wie ein gutes Glas Wein.

Überall nur Morast und Dickicht und Sumpfbrombeeren …
Im Leben ist es ja leider häufiger so: Ein Unglück kommt selten allein.
Mir hat das Leben übel mitgespielt, es hat mich in die weite Welt geworfen.
Nicht das Gefängnis hat mich gebrochen, sondern der Kummer.

Ringsum nichts als Taiga …

Für mich gibt es keinen Weg zurück – oder vielleicht doch?
Hinter mir höre ich das Gebell der Wachhunde.
„Schön, Sie zu sehen, Herr Aufseher,
schade, dass wir uns nicht unter anderen Umständen begegnen!“
So hat es mich zu meiner Hütte hingezogen:
Wer wohnt gerade darin? Rauskommen!

Ringsum nichts als Taiga …

 

[1]       Als Aasfresser ernährt sich der Schakal von den Resten der von anderen gerissenen Beutetiere. Demnach könnte man die Zeile dahingehend verstehen, dass der Gefangene sich nicht mit den kümmerlichen Resten des Lebens begnügen möchte, die ihm nach dem Ende seiner Lagerhaft oder während seiner Haftzeit bleiben.

Live (1994) :

 

Video mit sibirischen Impressionen:

 

Bildnachweis: isawCompany: Rabe (Pixabay), Hintergrund: Johannes Plenio (Pixabay)

 

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