Jules Breton: Automne (Herbst) / Autumn

Ein weiteres Gedicht des poetischen Malers / Another Poem by the Poetic Painter

Der Maler Jules Breton (1827 – 1906) hat die in seinen Bildern wiedergegebenen Stimmungen oft auch in Gedichten zum Ausdruck gebracht. Dazu hat heute ein weiteres Beispiel.

Mit dem heutigen Herbstgedicht knüpfen wir an einen Post aus dem Sommer an. Darin ging es um einen Maler, der sich auch als Dichter hervorgetan hat: um Jules Breton (vgl. Jules Breton: poetischer Maler und malender Poet).
Wie in dem Gedicht Aurore (Die Morgenröte) fällt auch in dem heute hier vorgestellten Gedicht der besondere Blick des Künstlers für landschaftliche Details und Farbspiele ins Auge. In mancherlei Hinsicht wirken die Verse daher wie eine ausgefeilte Skizze für ein Gemälde.
Gleichzeitig führt gerade der Detailreichtum der Beschreibung dazu, dass die evozierte Szenerie besonders plastisch und lebendig wirkt. Hierbei spielen Farbkontraste eine zentrale Rolle. So werden die blutroten Blätter der Erlen dem „Blattgold“ der Pappeln gegenübergestellt. Ebenso wird das unter den ziehenden Wolken glitzernde Schilf mit dem alles verschlingenden Schatten der Wälder kontrastiert.
Selbst dort, wo Töne im Vordergrund stehen, werden diese in synästhetischer Weise mit Farben charakterisiert: Der Gesang der Drossel wird mit einem funkelnden Edelstein assoziiert, der Schrei des Eisvogels mit einem Smaragd.
Beide gehören damit der Sphäre des Unvergänglichen an. In der Vorstellungswelt des Malers ist diese gleichbedeutend mit dem „ungetrübten Blau“ des Himmels. Dieses wird der sich im Feuer der Vergänglichkeit verzehrenden Welt gegenübergestellt.
Der Maler-Dichter Breton hat das Gedicht seinem Künstlerkollegen Jules Dupré (1811 – 1889) gewidmet. Dieser war ein bedeutender Landschaftsmaler. Einige seiner Werke geben eine Herbststimmung wider, wie sie auch in Bretons Gedicht zum Ausdruck kommt.

Jules Breton: Automne

1875 (aus: Les champs et la mer / Die Felder und das Meer, 1883)

Frans Everbag ( 1887 – 1931): Eisvogel vor einer Weidelandschaft. Rijksmuseum (Wikimedia)

Deutsche Nachdichtung

Herbst

Die Wellen des träge schleichenden Flusses
umflüstern die Stämme der alten Erlen,
der blutbefleckten, derweil die stolzen Pappeln
das Gold ihrer Blätter im Schilf verstreuen.

Der Wind wirft ein Netz aus silbrigen Falten
über das Land. Im Dunkel dazwischen,
zitternd wie von tausend Vogelflügeln,
versinken die Kuppeln der Bäume.

Zuweilen hebt sich aus den Ufergräsern
ein dünner Drosselsang, ein Funkeln
juwelengleich im ungetrübten Blau.

Und dann: ein spitzer Schrei, ein schriller Ton:
Auf smaragdenen Flügeln entflieht
der Eisvogel aus der verbrennenden Welt.

Jules Dupré: Gehöft/Homestead (ca. 1850); Museum of Fine Arts, Budapest (Wikimedia commons)

English Version

Jules Breton: Automne (Autumn)

Another Poem by the Poetic Painter

The painter Jules Breton (1827 – 1906) often expressed the moods depicted in his paintings also in poems. Today we have another example of this.

Today’s autumn poem is closely linked to a post from summer. It was about a painter who also stood out as a poet: Jules Breton (cf. Jules Breton: Poetic painter and painting poet).
As in the poem Aurore (The Dawn), the artist’s special eye for landscape details and plays of colour is also striking in the poem presented today. In some respects, therefore, the verses seem like an elaborate sketch for a painting.
At the same time, it is precisely the richness of detail in the description that makes the evoked scenery seem particularly vivid. In this context, colour contrasts play a central role. Thus the blood-red leaves of the alders are juxtaposed with the „gold leaf“ of the poplars. Likewise, the reeds glittering under the drifting clouds are contrasted with the all-devouring shadows of the woods.
Even where sounds are in the foreground, they are characterised with colours, in a synaesthetic way: The song of the thrush is associated with a sparkling gemstone, the cry of the kingfisher with an emerald.
Both thus belong to the sphere of the imperishable. In the painter’s imagination, this is synonymous with the „unclouded blue“ of the sky. The latter is juxtaposed with the world consuming itself in the fire of transience.
The painter-poet Breton dedicated the poem to his fellow artist Jules Dupré (1811 – 1889), who was an important landscape painter. Some of his works reflect an autumn mood similar to the one expressed in Breton’s poem.

Jules Breton: Automne

1875 (from: Les champs et la mer / The Fields and the Sea, 1883)

Toimekk: Kingfisher 1989 (Wikimedia)

English Adaptation

Autumn

The waves of the languidly creeping river
whisper around the trunks of the blood-stained alders,
while the poplars proudly scatter
their golden leaves in the reeds.

The wind casts a net of silvery ripples
over the land. In the darkness between,
trembling as if from a thousand birds‘ wings,
the domes of the trees disappear.

Now and then a thin thrush song
rises from the riparian grass, a sparkle,
jewel-like, in the unclouded blue.

And suddenly: a sharp cry, a shrill sound:
On emerald wings the kingfisher
escapes from the burning world.

Titelbild / title image: Jules Dupré: Tränken des Viehs / Cattle Watering (1888); Wikioo.org

3 Antworten auf „Jules Breton: Automne (Herbst) / Autumn

  1. Jakob

    Danke für diesen wunderschönen Beitrag. Hier stimmt alles: Die Nachdichtung, die Auswahl der Bilder… Und: Ich habe noch nie zuvor von Jules Breton gehört. Hier kann man immer Neues entdecken.

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  2. Pingback: Jules Breton: Beau soir d’hiver (Schöner Winterabend / Nice Winter Evening) – LiteraturPlanet

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