In der Dämmerung treten deine Träume heraus aus dem Dunkel des Waldes. Sie trinken das Zwielicht, sie laben sich an dem Duft der Erinnerungskräuter, den der Wind aus einem Land jenseits der Hügel heranweht.
Du siehst ihnen an, wie sie aufleben, jetzt, da sie sich nicht mehr verstecken müssen, da sie sich ungestört von dem Gitter der Baumstämme entfalten können. Fast scheint es dir, als würden sie wachsen, wie Schatten, die in der schräg stehenden Sonne in den Raum hinausgreifen.
Immer wieder geschieht es auch, dass deine Träume sich mit anderen Träumen verbinden. Sie tollen miteinander herum, sie umtänzeln einander, springen umeinander herum. Manchmal ist es dir dann, als würde durch die Art, wie sie einander umkreisen, wie sie sich ineinander verzweigen und sich in immer neuen Mustern auf den Feldern verteilen, etwas Neues entstehen, ein Traum, der alle Träume in sich einschließt, eine Traumheimat, die allen Träumen ein Zuhause bietet.
So stehst du da und träumst dich hinein in die Herde deiner Träume. Dabei weißt du: Dein Idyll ist brüchig. Immer wird es bedroht von den finsteren Augen des Jägers, der sie aus dem Unterholz heraus belauert. Er neidet deinen Träumen ihren Frieden, er erträgt es nicht, dass ihre Freiheit so viel größer ist als seine, die stets ins Geschirr der Vernunft gespannt ist.
Und so geschieht es nicht selten, dass ein Schuss das Idyll zerfetzt und deine Träume zurückfliehen in den Bauch des Waldes. Immer wieder wird auch einer von ihnen getroffen und verblutet sich in das taunasse Gras. Gelangweilt steigt dann der Jäger von seinem Hochsitz herab, routiniert schlendert er durch die Wiese, um deinem Traum den Fangschuss zu geben und ihn auszuweiden.
Während du den Tod deines Traumes betrauerst, tröstest du dich mit der Gewissheit, dass der Jäger, indem er den Traum tötet und ihn seinen Zwecken unterwirft, niemals das erlangen wird, was den Traum ausgemacht hat. Denn ein getöteter Traum ist er nicht mehr das, was er war. Und so wird das Wesen eines Traumes stets seinen Tod überdauern.
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