Kaum sind die letzten Schneereste zu schwarz-grünen Klumpen geronnen, legt die alte Kanalkokotte ihr Brautgewand an. So vielen Fischerhänden hat sie sich willig hingegeben. Jetzt aber, da die Finger der Sonne über ihren Rücken streichen, strahlt sie plötzlich wieder die Anmut einer jungen Geisha aus, jetzt verströmt sie den Duft der Verheißung, die Vorahnung der Kirschblüten, die bald auf sie niederregnen werden.
Staunend hältst du inne und wirfst ihr einen verstohlenen Blick zu. Sie aber räkelt sich so selbstvergessen zwischen den moosbewachsenen Fundamenten der Häuser, dass sie, so scheint es dir, gar keine Notiz von dir nimmt.
Erst am Abend, als der Mond hinter dem Gitter des Geästs an seiner Geheimschrift webt, ist es dir auf einmal, als hätte sie dir zugezwinkert.
Bild: Nidda am Abend
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