Tagebuch eines Schattenlosen. Teil 3: Zeitreisen / Diary of a Shadowless Man. Part 3: Time Travels

Endlich trifft Theo auch in der Zukunft auf ein bekanntes Gesicht! Lina und Yvonne bleiben aber verschollen.

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Donnerstag, 19. März 2521 (79/113), etwas später

Interessant – wenn man sich nicht von selbst zu dem Fütterungsschlauch begibt, macht er sich mit einem akustischen Signal bemerkbar. Wie bei einem nervenden Wecker schwillt es allmählich zu einer unerträglichen Lautstärke an. Also habe ich schließlich brav das Mundstück zwischen die Lippen gepresst und mein Breichen heruntergeschluckt.
Alles ist genau durchgetaktet hier. Manchmal komme ich mir vor wie in einem Kinderhort. Es fehlt nur noch, dass auch für das Gegenteil der Nahrungsaufnahme eine bestimmte Zeit festgesetzt wird.
Aber gut, vielleicht sollte ich mich auch gar nicht so ausgiebig über diese umfassende Strukturierung aller Bedürfnisse beschweren. Schließlich hätte ich ohne das Erinnerungssignal die Fütterung womöglich verpasst und hungrig zu Bett gehen müssen!

Schorsch hat mir heute Morgen einen ganz schönen Schrecken eingejagt! Reflexartig hatte ich bei der barschen Frage nach meinem Pass sogar die Arme hochgehoben, wie bei einer Polizeikontrolle.
Während ich noch fieberhaft über Ausreden und Erklärungen nachdachte, brach der vermeintliche Polizist hinter mir auf einmal in schallendes Gelächter aus. Es war natürlich niemand anderes als Schorsch, der mich mit verstellter Stimme angesprochen hatte – wer sonst hätte sich auch einen so dämlichen Scherz erlaubt?
Er hatte vor dem Glaspalast auf mich gewartet, weil er richtig vermutet hatte, dass ich wie er in einem der unteren Appartements untergebracht worden war.
„Schorsch!“ rief ich erleichtert aus, indem ich mich umdrehte. „Mensch, hast du mich erschreckt! Sind Lina und Yvonne auch hier?“
Er wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel. „Ich fürchte, wir müssen ohne Frauen-Power auskommen“, entgegnete er, langsam wieder ernster werdend. „Es sei denn, die Damen sind meiner Aufmerksamkeit irgendwie entgangen – was ich aber kaum glaube.“
In der Tat ist es mittlerweile eher unwahrscheinlich, dass die beiden ebenfalls in dieser Zeit gelandet sind. Schorsch war gleich nach draußen gegangen, als die Metallplatte vor den Fenstern wieder hochgeschnellt war, und hatte die Ausgänge beobachtet. Theoretisch hätte er unsere Mitstreiterinnen dabei natürlich übersehen können. Allerdings haben wir sie auch bei unserer zweiten Überquerung des Platzes nicht gefunden, bei unserer Rückkehr in die „Ruhe-Hochhäuser“, wo ich mich auch jetzt wieder befinde.
Deshalb gibt es für ihren Verbleib im Grunde nur zwei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist, dass keine von ihnen es geschafft hat, ihre Notfalluhr rechtzeitig zu betätigen. Dieser Gedanke ist aber so schrecklich, dass ich ihn lieber nicht in Betracht ziehen möchte – auch wenn er im Fall Yvonnes leider nicht ganz unwahrscheinlich ist. Denkbar wäre aber auch, dass die beiden das Rad an der Notfalluhr in die entgegengesetzte Richtung gedreht haben. In diesem Fall müssten sie sich jetzt im Jahr 1485 befinden.
Allerdings könnten sie in der Hektik auch zwei Umdrehungen ausgelöst haben. Dies würde bedeuten, dass sie ins Jahr 3039 katapultiert worden sind – oder ins Jahr 967. Ich weiß nicht, was ich schlimmer finden würde. Das eine ist so unvorstellbar wie das andere.

Sobald ich den Schrecken überwunden hatte, den Schorsch mir mit seiner eigenwilligen Begrüßung bereitet hatte, empfand ich eine ungeheure Erleichterung, nicht mehr allein zu sein in dieser fremden Welt. Wie gerne hätte ich mich mit ihm über das Erlebte ausgetauscht! Aber dazu war in dem Moment leider keine Zeit. Wir stimmten daher nur kurz unsere weitere Vorgehensweise ab und verabredeten uns für den Abend.
Schorsch meint, der Bildschirm in dem Appartement lasse sich auch als Videotelefon nutzen. Dafür müsse nur die Nummer des Appartements angegeben werden, dessen Bewohner man erreichen wolle. Er hatte das entdeckt, als versehentlich jemand die Nummer seines Appartements angegeben hatte.
Ein surrendes Geräusch aus der Richtung des Bildschirms – das wird Schorsch sein!

English Version

Unexpected Encounter

At last Theo comes across a familiar face in the future! Lina and Yvonne, however, remain missing.

Thursday, March 19, 2521 (79/113), a bit later

An interesting detail – if you don’t go to the feeding hose on your own, it makes itself known with an acoustic signal. Like an annoying alarm clock, it gradually swells to an unbearable volume. So finally I dutifully pressed the mouthpiece between my lips and swallowed my mush.
Everything is precisely timed here. Sometimes I feel like I’m in a day nursery. The only thing missing is that a certain time is also scheduled for the opposite of eating.
But maybe I shouldn’t complain so much about this comprehensive needs management. After all, without the reminder signal, I might have missed the feeding and would have gone to bed hungry!

Shorsh gave me quite a fright this morning! Reflexively, I even raised my arms when he asked me for my passport, like at a police checkpoint.
While I was still feverishly thinking of excuses and explanations, the supposed policeman behind me suddenly burst out laughing. It was, of course, none other than Shorsh, addressing me in a disguised voice – who else would have allowed himself such a silly joke?
He had been waiting for me in front of the glass palace because he had correctly guessed that I, like him, had been accommodated in one of the lower apartments.
„Shorsh!“ I exclaimed with relief, turning around. „Gosh, you really scared me! Are Lina and Yvonne here too?“
He wiped a tear of laughter from the corner of his eye. „I’m afraid we’ll have to get by without any female power,“ he replied, gradually becoming more serious again. „Unless the ladies have somehow escaped my attention – which I don’t think they have, though.“
In fact, it is now rather unlikely that the two of them also landed in this time. Shorsh had gone outside as soon as the metal plate in front of the windows had shot up again and had watched the exits. Theoretically, of course, he could have overlooked our fellow refugees. However, we didn’t find them even on our second crossing of the square, on our return to the „rest high-rises“, where I am staying again now.
Therefore, there are basically only two possibilities for their fate. The first possibility is that neither of them managed to activate the emergency watch in time. However, this thought is so horrible that I prefer not to consider it – even if it is unfortunately not entirely implausible in Yvonne’s case. But it is also conceivable that they turned the wheel on the emergency clock in the opposite direction. In that case, they would now be living in the year 1485.
They could, however, also have triggered two revolutions of the wheel in the hectic rush. This would mean that they have been catapulted into the year 3039 – or into the year 967. I don’t know which I would find worse. One is as unimaginable as the other.

As soon as I had overcome the fright Shorsh had given me with his peculiar greeting, I felt a tremendous relief at no longer being alone in this strange world. How I would have loved to talk to him about what I had experienced! But unfortunately there was no time for that at the moment. We therefore only briefly agreed on our further course of action and arranged to meet in the evening.
Shorsh says that the screen at the wall can also be used as a video phone. All you need to do is enter the number of the apartment whose occupant you want to reach. He had discovered this when someone had accidentally entered the number of his room.
A whirring sound from the direction of the screen – that must be Shorsh!

Bilder / Images: Pete Linforth (TheDigitalArtist): Das Tor der Zeit / The Gate of Time (Pixabay); Gabe Raggio: Galaxis / Galaxy (Pixabay)