León Giecos argentinisches Friedenslied Sólo le pido a Dios (Das Einzige, worum ich Gott bitte) / León Gieco’s Argentine Peace Song Sólo le pido a Dios (The Only Thing I Ask of God)
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León Giecos Friedenshymne Sólo le pido a Dios (Das Einzige, worum ich Gott bitte) ist vor dem Hintergrund der argentinischen Militärdiktatur (1976 – 1983) entstanden. Die in dem Lied formulierten Voraussetzungen für dauerhaften Frieden besitzen jedoch zeitlose Gültigkeit.
Das Einzige, worum ich Gott bitte
Das Einzige, worum ich Gott bitte, ist,
dass mir der Schmerz nicht gleichgültig sein möge;
dass mein Herz nicht leer und einsam sein möge
und ich gegeben haben werde, was ich geben konnte,
wenn die dürre Hand des Todes nach mir greift.
Das Einzige, worum ich Gott bitte, ist,
dass die Ungerechtigkeit mir nicht gleichgültig sein möge;
dass ich mich kein zweites Mal erniedrigen lasse,
wenn das ungerechte Schicksal
mich einmal zu seinem Werkzeug machen sollte.
Das Einzige, worum ich Gott bitte, ist,
dass der Krieg mir nicht gleichgültig sein möge,
dieses Ungeheuer, das mit donnerndem Schritt
die Unschuld der Armen zertritt.
Das Einzige, worum ich Gott bitte, ist,
dass der Verrat mir nicht gleichgültig sein möge;
dass die Vielen, wenn sie auch weniger ausrichten können
als der eine Verräter, doch mit ihrer Erinnerung
den Verrat richten.
Das Einzige, worum ich Gott bitte, ist,
dass die Zukunft mir nicht gleichgültig sein möge;
dass ich mich nicht verliere
in einer verlorenen Welt.
León Gieco: Sólo le pido a Dios [Album No.] IV (1978)
Albumfassung:
Live (1982):
Wie dauerhafter Frieden möglich ist
Was wir uns für das neue Jahr am sehnlichsten wünschen? Ich denke, das Wort „Frieden“ wird bei vielen von uns in den Wunschlisten ganz oben stehen. Denn ohne Frieden lassen sich letztlich auch unsere anderen Wünsche nicht erfüllen. Ohne Frieden gibt es kein Wohlergehen, keine Gesundheit, keine materielle Sicherheit, keinen Schutz für Natur und Klima.
Deshalb folgt als Abschluss des diesjährigen musikalischen Adventskalenders und als Wunschtraum für das nun angebrochene Jahr hier noch einmal eines der schönsten Friedenslieder: die gesungene Fürbitte Sólo le pido a Dios (Das Einzige, worum ich Gott bitte) des argentinischen Sängers León Gieco.
Das Lied legt den Finger in die Wunde des Mitläufertums, das die menschenverachtenden Regime jedweder Couleur zu allen Zeiten erst möglich gemacht hat. Nicht gleichgültig zu werden, nicht abzustumpfen gegen das Unrecht, das sich tagtäglich ereignet, ist deshalb der zentrale Appell des Liedes.
Indem dieser Appell sich nicht an andere richtet, sondern als eine Art Selbstermahnung formuliert wird, erhält er eine besondere Glaubwürdigkeit und Eindringlichkeit: Nur wenn alle ihr eigenes Verhalten hinterfragen, kann der Herrschaft der Inhumanität der Boden entzogen werden.
Dauerhaft kann dies allerdings nur dann geschehen, wenn das Unrecht nicht in Vergessenheit gerät. Deshalb schließt die Überwindung der Gleichgültigkeit in dem Lied auch den Aufruf zur späteren Erinnerung an die gegenwärtigen Verbrechen mit ein. Nur so kann einer erneuten Etablierung inhumaner Verhältnisse wirksam vorgebeugt werden.
León Gieco als Vorkämpfer gegen die argentinische Militärdiktatur
Der Liedermacher wurde 1951 in einer ländlichen Region der Provinz Santa Fe im Nordosten Argentiniens geboren. Nachdem er zunächst in musikalischen Gemeinschaftsprojekten mitgewirkt hatte, startete er 1976 seine Solokarriere – in dem schwierigen Umfeld der argentinischen Militärdiktatur, die die Geschicke des Landes bis 1983 bestimmte.
Das politische Engagement, das Gieco in seinen Songs zum Ausdruck brachte, rückte ihn von Anfang an ins Fadenkreuz der Militärjunta. Nachdem einige seiner Lieder der Zensur zum Opfer gefallen waren, musste er 1978 kurzzeitig in die USA fliehen.
Im selben Jahr erschien Sólo le pido a Dios. Das Lied wurde in Giecos Heimat rasch zu einer Hymne des Widerstands. In den folgenden Jahren wurde es auch von zahlreichen anderen Größen der Musikszene (u.a. von Mercedes Sosa) nachgesungen und avancierte in ganz Südamerika zu einem Ausdruck des Protests gegen autoritäre Herrschaftsformen und unsoziale Verhältnisse.
Der Song ist auch in zahlreiche andere Sprachen übersetzt worden. Deutschsprachige Versionen gibt es u.a. von Hannes Wader und Gerhard Gundermann.
Als Ikone des Widerstands gegen die argentinische Militärdiktatur blieb Gieco auch nach deren Ende äußerst populär in Lateinamerika. Er absolvierte auch Tourneen außerhalb seiner Heimat und hat mit diversen anderen, ebenfalls politisch engagierten Musikern zusammengearbeitet, u.a. mit Pete Seeger, Bruce Springsteen und Peter Gabriel.
Der Zynismus der argentinischen Militärjunta
Die Drohung, die General Ibérico Saint Jean, unter der Militärjunta Gouverneur der Provinz Buenos Aires, 1977 in einer Rede zum Ersten Mai ausgesprochen hatte, konnte Gieco auch auf sich beziehen: „Erst werden wir alle Subversiven töten, dann ihre Mitstreiter, anschließend ihre Sympathisanten, danach die Gleichgültigen, und am Ende werden wir die Zaudernden töten.“
Die Worte stehen im Zusammenhang eines der größten Menschenrechtsverbrechen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: dem der „Desaparecidos“ (Verschwundenen), also von Menschen, die die Schergen der Diktatur spurlos haben verschwinden lassen, indem sie etwa ihre Leichen aus Flugzeugen über dem Meer abgeworfen haben.
Die juristische Aufarbeitung dieser Menschenrechtsverbrechen erfolgte zunächst sehr zögerlich, da die Militärs auch nach dem Ende der Diktatur über großen Einfluss verfügten. So wurde zum Beispiel General Jorge Videla, der bis 1981 an der Spitze der Militärjunta stand, erst 2010, ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Militärregimes, endgültig für die Verbrechen verurteilt, die er zu verantworten hatte.
Zitat entnommen aus: Comision de los exiliados argentinos en Madrid: Palabras para no olvidar (Worte, die nicht vergessen werden dürfen; übersetzt aus dem Spanischen).
English Version
Indifference as the Enemy of Peace
León Gieco’s Argentine Peace Song Sólo le pido a Dios (The Only Thing I Ask of God)
León Gieco’s peace hymn Sólo le pido a Dios (The Only Thing I Ask of God) was written against the backdrop of the Argentine military regime (1976 – 1983). However, the preconditions for lasting peace formulated in the song have timeless validity.
The Only Thing I Ask of God
The only thing I ask of God
is that I may not be indifferent to pain;
that my heart may not be empty and lonely
and that what I can give, I will have given
when the scrawny hand of death
reaches out for me.
The only thing I ask of God
is that I may not be indifferent to injustice;
that I don’t let myself be slapped
on the other cheek as well,
when the unjust fate
should someday make me its tool.
The only thing I ask of God
is that I may not be indifferent to war,
this monster that crushes with thundering steps
the innocence of the poor.
The only thing I ask of God
is that I may not be indifferent to betrayal;
that the many, though they can do less
than one single traitor, yet judge the betrayal
with their remembrance.
The only thing I ask of God
is that I may not be indifferent to the future;
that I don’t get lost
in a lost world.
How Lasting Peace is Possible
What do we most wish for in the New Year? I think the word „peace“ will be at the top of many of our wish lists. Without peace, ultimately our other wishes cannot be fulfilled either. Without peace there is no well-being, no health, no material security, no protection for nature and the climate.
Therefore, as a conclusion to this year’s musical Advent calendar and as a wish for the year that has just begun, here is once again one of the most beautiful peace songs: the sung intercession Sólo le pido a Dios (The Only Thing I Ask of God) by the Argentine singer León Gieco.
The song raises the question of the indifferent followers who have made inhuman regimes of all kinds possible at all times. The central appeal of the song is therefore not to become indifferent, not to become numb to the injustice that happens every day.
Because this appeal is not directed at others, but is formulated as a kind of self-exhortation, it is given a special credibility and urgency: only if everyone questions their own behaviour can inhumanity be eradicated.
In order to achieve lasting peace, however, it is also necessary that injustice is not forgotten. In the song, overcoming indifference therefore also includes the call to remember the present crimes later. This is the only way to effectively prevent the recurrence of inhumane conditions.
León Gieco and the Resistance against the Argentine Military Regime.
The singer-songwriter was born in 1951 in a rural region of the Santa Fe province in north-eastern Argentina. After initially participating in joint musical projects, he started his solo career in 1976 – in the difficult environment of the Argentine military regime that determined the country’s fate until 1983.
The political commitment that Gieco expressed in his songs put him in the military junta’s crosshairs from the start. After some of his songs had fallen victim to censorship, he had to flee to the USA for some time in 1978.
In the same year, the song Sólo le pido a Dios was released. It quickly became an anthem of resistance in Gieco’s homeland. In the following years, it was also sung by numerous other famous musicians (including Mercedes Sosa) and became an expression of protest against authoritarian regimes and antisocial conditions throughout South America.
As an icon of resistance against the Argentine military dictatorship, Gieco remained extremely popular in Latin America even after its end. He also toured outside his home country and worked with various other politically committed musicians, including Pete Seeger, Bruce Springsteen and Peter Gabriel.
The Cynicism of the Argentine Military Junta
The threat that General Ibérico Saint Jean, governor of the province of Buenos Aires under the military junta, made in a speech on May Day in 1977 could also be applied to Gieco: „First we will kill all the subversives, then their comrades-in-arms, then their sympathisers, then the indifferent, and in the end we will kill the waverers“.
The words must be seen in the context of one of the greatest human rights crimes in the second half of the 20th century: that of the „desaparecidos“ (disappeared persons), i.e. people whom the henchmen of the dictatorship made disappear without a trace, for example by dropping their bodies from aeroplanes over the sea.
The legal processing of these human rights crimes was initially very hesitant, as the military still had great influence in the country after the end of the dictatorship. For example, General Jorge Videla, who headed the military junta until 1981, was not finally convicted of the crimes for which he was responsible until 2010, a quarter of a century after the end of the military regime.
Quotation taken from: Comision de los exiliados argentinos en Madrid: Palabras para no olvidar (Words that must not be forgotten; translated from Spanish).
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