Eindrücke und Begegnungen: Die Minipressenmesse in Mainz 2019

von Ilka und Henny

Dieses Jahr hat die Mainzer Minipressenmesse ihr fünfzigjähriges Jubiläum gefeiert. Wie immer haben Austeller aus ganz Deutschland, aber auch aus den europäischen Nachbarländern teilgenommen. Anders als bei anderen Buchmessen liegt in Mainz ein Schwerpunkt auf Buchkunst und Druckgrafik.

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Der LiteraturPlanet hatte einen schönen Stand mit Blick auf die Stadt. Man beachte unsere zweifarbige Tischdecke, die eine fast so magische Anziehungskraft auf die Besucher ausgeübt hat wie die zweifarbige Henny.

 

 

IMG_2622Ein echtes Highlight auch dieses Mal: die Slam-Poetry-Veranstaltung am Samstagabend. Patrick Addai aus Ghana, den wir schon auf der BuchQuartier Wien kennengelernt haben, hat sich spontan zu einer szenischen Darstellung von Weisheiten seiner Oma entschlossen. Kostproben: „Die Hühner wissen auch die Tageszeit, überlassen es aber dem eitlen Hahn, sie zu verkünden“ – oder noch besser: „Je höher jemand auf den Baum steigt, desto besser sieht man seinen Popo.“

Unsere Standnachbarn waren die Dichterin Adrienne Brehmer sowie Marcus IMG_3033Bonszkowski  und Tanja Huckenbeck mit ihrer Druckwerkstadt  höchst*schön. Adrienne schreibt naturlyrische Gedichte, die sie selbst künstlerisch gestaltet. höchst*schön hatten eine große Auswahl an Postkarten und anderen Druckerzeugnissen mit Sprüchen im Angebot. Ich war hoch beglückt, auf einer Postkarte endliche die ultimative Zusammenstellung der sieben Kräuter für die Frankfurter Grüne Soße abgedruckt zu finden.

IMG_3005Sehr beeindruckt hat mich der Stand vom Hazeka-Verlag. Der Verleger, Ulrich Fritsche, beschäftigt sich seit 50 Jahren mit der Symbolik in den Bildern von Hieronymus Bosch. Seine Bücher sind eine wahre Fundgrube für alle, die die Bilder von Bosch besser verstehen möchten. Sie sind auch sehr benutzerfreundlich aufgebaut: Der Bildteil ist herausnehmbar, so dass man gleichzeitig die Bildausschnitte betrachten und die ausführlichen Erläuterungen dazu lesen kann.

 

Wolfgang Zimmermann vom Mehring Verlag ist schon ein IMG_3027alter Bekannter von uns. Wir haben uns schon auf einigen Messen getroffen. In seinem Verlag bringt er bereits seit 1978 Bücher zur Geschichte der Arbeiterbewegung und des Sozialismus heraus. Bahnbrechend waren Erstausgaben von Werken Trotzkijs. Ein aktuelles Buch beschäftigt sich mit der Wiederkehr des Faschismus in Deutschland ( Christoph Vandreier: Warum sind sie wieder da?).

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Michael Kracht ist ein Krimi-Autor aus Ostfriesland , der in dem von ihm gegründeten Fehnland-Verlag neben Thrillern anderer Autoren auch historische Romane, Gesellschaftsromane und  gelegentlich auch regionale Literatur herausbringt. Kennengelernt haben wir uns durch die gemeinsame Mitgliedschaft in der von Fayçal Hamouda gegründeten Independent-Vereinigung (Independent-Verlage.com).IMG_3015

 

Als Rosenmontagskind ist Sonia Lauinger ein echtes Energiebündel. Neben dem Lauinger-Verlag hat sie in Karlsruhe die Buchausstellung Bücherbuffet organisiert und auch einen Pop-up-Store in der Karlsruher Kaiserstraße initiiert, also einen Buchladen, der den vorübergehenden Leerstand eines Ladenlokals produktiv nutzt. 2014 hat sie zudem den renommierten baden-württembergischen Regionalverlag G. Braun übernommen.

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Das Ehepaar Nucke stammt aus Tabarz in der Nähe von Weimar. Beide sind das Gegenteil von dem, was man landläufig als „Ostalgiker“ bezeichnet. Noch heute genießen sie die Freiheit, Bücher unzensiert schreiben, verlegen und ausstellen zu können. Siegfried Nucke  selbst hat ein Buch über einen Jungen geschrieben, der in sein vom Tagebau zerstörtes Dorf zurückkehrt (216 Schlüssel) . Der Stand war auf der Minipressenmesse, passend zum Verlagsnamen („Typen und Tasten“), durch eine schöne, alte Reiseschreibmaschine geschmückt, die mich an die seligen (?) Zeiten von TippfeIMG_3007hlern und Tipp-Ex erinnert hat.

 

Philipp Rehage ist Lateinlehrer und hat eine große Leidenschaft für das Drucken mit Bleilettern im traditionellen Gutenberg-Stil. Er hat sich auf französische und lateinische Literatur spezialisiert, die er auch selbst übersetzt. Mit seinem neu gegründeten Atelier „le chien qui boite“ (der hinkende Hund) war er zum ersten Mal auf einer Messe und hat dort selbst gesetzte Einzelausgaben (u.a. von Verlaine, Baudelaire, La Fontaine und Ovid) präsentiert.

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Kirsten Witte-Hofmann ist mit ihrer Edition Überland noch recht neu im Geschäft. Sie hat früher als Lektorin in einem größeren Verlag gearbeitet und sich vor Kurzem selbständig gemacht. Ein Buch aus ihrem Verlag, das mich sofort angesprochen hat, ist der Roman „Sommergäste“ von Barbara Handke, in dem es um die Lebenssicht eines skurrilen jungen Mannes geht, dessen Mutter eine Pension betreibt.IMG_E3032

Sehr genossen haben Henny und ich in Mainz auch wieder die erfrischend unkonventionellen Gespräche und Begegnungen mit Querdenkern, Träumern und Kunstbegeisterten aller Art. Ein Beispiel von vielen: der Künstler Gregor Bendel, der als antikapitalistische Aktion auf der Messe seine auf der Basis von Steuermarken von Zigarettenpackungen gefertigten Kunstwerke verschenkte.

Ein herzliches Dankeschön für dieses tolle Erlebnis an die Stadt Mainz und insbesondere an den Cheforganisator Jürgen Kipp!

 

(Ilka Hoffmann, LiteraturPlanet)

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