Morte Saison: Ein Winterlied von Georges Chelon

Heute im Programm: eine Zeitreise ins Jahr 1966! Ein sehr ernster junger Mann singt ein sehr trauriges Lied über eine sehr endgültig vergangene Liebe …
Bei dem ernsten jungen Mann handelt es sich um den 1943 geborenen Georges Chelon. Die Bühne des französischen Chansons hat er schon 1965, nach Abschluss seines Politikstudiums in Grenoble, betreten. Bereits 1966 machte er sich einen Namen als Chansonnier, als er von der renommierten Académie Charles-Cros ausgezeichnet wurde.
Der bis heute aktive Sänger hat in den 1970er Jahren auch französische Fassungen von Songs Leonard Cohens eingespielt. Zwischen 2004 und 2008 hat er auf 7 CDs die kompletten Fleurs du mal von Charles Baudelaire vertont.
Morte Saison ist zweifellos ein Liebeslied – bzw., genauer, ein Lied über eine verlorene Liebe. Gleichzeitig ist es jedoch auch ein Lied über den Winter, als jene „morne saison“ („trübe Zeit“), in der Lebenslust und Hoffnung versiegen.
In der bewussten Naivität des lyrisch-liedhaften Ichs deutet sich dabei allerdings zugleich der Glaube an das Wiedererwachen der Liebe und des Lebens im Frühling an. Gerade in dem Bewusstsein des Verlusts keimt die Kraft für den Neubeginn. Nur wer sich der Trauer stellt, wer also – bildlich gesprochen – das Tal des Winters ganz durchschreitet, wird irgendwann auch wieder zu den Höhenzügen des Frühlings gelangen.
Das Schöne aber ist: Der Frühling steht schon vor der Tür. Bald wird er erwachen – und mit ihm wird auch die Liebe zurückkehren …

Georges Chelon: Morte saison; aus: Morte saison (1966)

Live-Aufnahme (1967)

Liedtext

Übersetzung:

Tote Zeit

Tote Zeit,
die Liebe liegt am Boden.
Es ist fortgegangen, mein Bauernmädchen,
vor der Zeit der Ernte

Tote Zeit,
sie hat mir meine kleine Zuflucht genommen.
Vielleicht verfügt die Liebe ja in den Städten
über einen weiteren Horizont.

Tote Zeit,
sie hat mein Herz in ein Brachfeld verwandelt.
Sie hat geglaubt, dass aus meiner Erde
nichts Gutes mehr erwächst.

Trübe Zeit,
nicht eine einzige Liebesähre erzittert,
nicht einmal eine Ahnung zarter Triebe,
die in meinen Seelenfurchen keimen.

Trübe Zeit,
sie hat mein Herz in ein Brachfeld verwandelt.
Sie hat mir gesagt, dass es eine neue Blüte geben könnte,
dass sie eines Tages eine neue Saat ausbringen würde,
wenn es dort [in der Stadt] nicht rund laufen sollte.

Aber wann wird das sein?
Man darf mit der Aussaat nicht zu lange warten.
Je mehr Zeit verstreicht,
desto mehr zerstechen die Disteln
meine Herzensbrache.

Wann, zu welcher Zeit
wird es wiederkehren, mein Bauernmädchen?
Das Land weint um sie, während ich auf sie warte.
Es hat keine Ernte gegeben,
es wird keine Ernte mehr geben.

Mehr poetische Chansons: Chanson Poétiques. ein Blick auf die französischen ChansondichterInnen

Bild: Саврасов, Алексей Кондратьевич (1830- 1897) Зимняя дорога. Alexei Kondratjewitsch Sawrassow: Winterlicher Weg, 1870

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