Ein Loblied auf das Göttliche in der Natur

Das „Gloria“ aus Edward Stachuras Missa pagana (Heidnische Messe)

In seiner Missa pagana (Heidnischen Messe) singt der polnische Dichter Edward Stachura ein Loblied auf das Göttliche in der Natur. Das „Gloria“ daraus ist ein Beleg für seinen Versuch, die Freiheit jenseits der staatlichen Strukturen zu suchen.

Gloria

Ehre sei dir vor allem, höchstes Wesen,
das du in fernen Höhen über uns wachst!

Ehre sei dir sodann, Gras,
du Spiegel des Gartens Eden,
samtener Teppich und Mutterbrust!
Ehre, Ehre sei dir!

Ehre sei dir, Sonne,
du einsame Göttin,
die du dich erhebst am Morgen
aus dem Moor der Nacht
und zum Himmel aufsteigst, ganz allein
die finsteren Wolkenheere durchbohrend
mit den Flammenspitzen deiner Strahlen,
allein mit der Kraft deiner goldenen Krone,
lautlos und gewaltlos.
Gloria! Gloria! Gloria in excelsis Soli!

Nimm uns auf deinen Rücken, Sonnengöttin,
trag uns durch den Ozean des Tages!

Ehre sei dir, Wind,
du ewiger Jüngling,
Waisenkind der Welt, Liebling des Schicksals!
Bewahre uns vor falschen Wegen
und Wildwuchs auf dem Feld des Lebens,
schaukle sanft uns durch das Meer der Zeit!
Gloria! Gloria! Gloria in excelsis Aeoli!

Sei du unser Pferd, Wind, auf unserem Ritt
durch den Ozean des Lebens!

Ehre sei euch, ihr zwitschernden Vögel,
und euch, ihr plätschernden Fische,
und dir, Hase, im vertrauten Bunde
mit dem leuchtenden Marienkäfer!

Ehre sei euch, ihr Jahreszeiten,
Winter, Sommer, Herbst und Frühling!
Und Ehre sei dem, der gleichmütig wandelt
durch Schnee und Schatten,
Sonnenglanz und Regen,
der seinen ganzen Reichtum trägt
in seiner eigenen Brust.
Gloria! Gloria! Gloria!

Edward Stachura: Gloria aus: Missa Pagana (Heidnische Messe)

Vertonung von Krzysztof Myszkowski / Stare Dobre Małżeństwo (mit Slideshow von Dżoana Krupa; aus der 2005 erschienenen vollständigen Vertonung der Missa Pagana):