Interview mit Zacharias Mbizo / Interview with Zacharias Mbizo

zu seiner Erzählung Glücklose Heimkehr / about his novel Luckless Homecoming

Ab kommender Woche präsentieren wir auf LiteraturPlanet Zacharias Mbizos Erzählung Glücklose Heimkehr als Fortsetzungsgeschichte. Zur Einstimmung gibt es heute ein Interview mit dem Autor.

English Version

In Zacharias Mbizos Erzählung Glücklose Heimkehr beklagt ein Toter sich gegenüber dem zuständigen Engelssachbearbeiter im Himmel darüber, zu Unrecht und viel zu früh aus dem Buch des Lebens gestrichen worden zu sein. Daraufhin darf er für einen begrenzten Zeitraum auf die Erde zurückkehren, um den an ihm begangenen Mord aufzuklären. Das Problem dabei: Seine neue Existenzform ist ganz anders als das Leben, das er gewohnt war. Er ist zwar noch einmal auf der Welt, wird jedoch kein Teil mehr davon.

LiteraturPlanet: Ein Toter, der noch einmal auf die Welt zurückkehrt, um den Mord an sich aufzuklären – wie bist du denn darauf gekommen?

Zacharias Mbizo: Darauf gibt es zwei Antworten: eine persönliche und eine literarische. Welche willst du zuerst hören?

LP: Fangen wir mal mit der literarischen an – schließlich wollen wir hier ja in erster Linie über Literatur reden.

ZM: Gut, also, was meine literarischen Motive anbelangt, so hat mich vor allem das Motiv gereizt. Ich dachte mir, dass ich damit dem Genre des Kriminalromans ein wenig neues Leben einhauchen könnte. Ein Toter als Detektiv – das schien mir der Krimi-Suppe noch einmal neue Würze hinzufügen zu können.

LP: Und deine persönlichen Motive?

ZM: Da war für mich das Entscheidende das Gefühl, gleichzeitig anwesend und abwesend zu sein – also eben sich wie ein lebender Toter durch die Welt zu bewegen.

LP: Sorry – aber was hat das denn mit dir zu tun? Du kommst mir doch ziemlich lebendig vor.

ZM: Ich denke dabei vor allem an die Existenzform des Schreibens. Schreiben ist nun mal ein ziemlich einsames Geschäft. Wenn du deine Werke veröffentlichst, bist du damit zwar irgendwie in der Welt, kriegst davon aber nicht viel mit – wenn du nicht gerade Thomas Mann oder Bertolt Brecht heißt. Daraus entsteht dann dieses paradoxe Gefühl der abwesenden Anwesenheit.

LP: Hast du denn gar keinen Kontakt zu den Leuten, die deine Werke lesen?

ZM: Ehrlich gesagt – kaum. Das würde aber auch nichts Grundlegendes an meiner Gefühlslage ändern. Denn die Werke emanzipieren sich ja von dir, sobald sie in der Welt sind, sie werden zum geistigen Eigentum anderer. So bist du ein Teil des Lebens anderer, ohne dabei noch du selbst zu sein. Auch in diesem Sinne bist du durch das Schreiben gleichzeitig tot und lebendig.

LP: Eine recht spezielle Erfahrung. Glaubst du denn, dass das auch für andere interessant sein kann?

ZM: Das würde ich schon sagen. Schließlich entsteht das Gefühl, da und gleichzeitig nicht da zu sein, ja nicht nur durch den Prozess des Schreibens. Menschen, die sich aus unterschiedlichen Gründen von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sehen oder ein traumatisches Erlebnis bewältigen müssen, das sie vom Alltag der anderen abtrennt, machen ganz ähnliche Erfahrungen durch.

LP: Ich würde gern noch über die Namen von zwei deiner Protagonisten mit dir sprechen: Achmet und Salvatore. Das klingt nicht sehr deutsch – obwohl es sich bei der Glücklosen Heimkehr doch offensichtlich um eine deutsche Erzählung handelt.

ZM: Was uns zu der Frage führt, was du eigentlich unter „deutsch“ verstehst.

LP: Na ja, von einer deutschen Erzählung würde ich schon erwarten, dass die Protagonisten deutsche Namen tragen.

ZM: Womit du aber ausblendest, dass wir mittlerweile in Deutschland unzählige Menschen mit Migrationshintergrund haben, die von ihrer ganzen Sozialisation her Deutsche sind. Das Einzige, was an ihnen „ausländisch“ wirkt, ist der Name, den ihre Eltern ihnen aus Anhänglichkeit an die alte Heimat gegeben haben.

LP: Aber ergibt sich aus deiner Namensgebung nicht doch eine irgendwie fremdartige Wirkung?

ZM: Wäre das denn so schlimm? Die Erzählung ist doch an keinen bestimmten Ort gebunden. Dass die Handlung in Deutschland spielt, steht nirgends geschrieben.

LP: Okay, ein Punkt für dich. Aber muss der zwielichtige Forscher, der in deiner Erzählung auftaucht, auch noch einen ausländischen Namen tragen? Ist das nicht ein bisschen viel des Guten?

ZM: Dieser Name hat einen anderen Hintergrund. Er beruht auf einem Wortspiel, das die Figur in eine bestimmte literarische Tradition einreiht.

LP: Warte mal … Wenn ich den Namen in ein Übersetzungsprogramm eingebe, erhalte ich … Ach so! Gut, das erklärt das Ganze natürlich. Würdest du also sagen, dass deine Erzählung Elemente aus Detektivroman und Gothic Novel miteinander verbindet?

ZM: Eigentlich gefallen mir solche Etikettierungen nicht. Sie wecken meist falsche Erwartungen, weil sie ganz bestimmte Assoziationen auslösen, die dann mit dem jeweiligen Werk nur bedingt etwas zu tun haben.

LP: Dass es sich bei der Glücklosen Heimkehr um eine phantastische Erzählung handelt, würdest du aber nicht bestreiten?

ZM: Nein, natürlich nicht – obwohl man da in letzter Zeit auch vorsichtig sein muss, weil „phantastische Literatur“ allzu oft mit „Fantasy“ gleichgesetzt wird.

LP: Gibt es da denn wirklich so große Unterschiede?

ZM: Das würde ich schon sagen. Fantasy-Literatur ist im Grunde oft eine Art Verkleidungsliteratur. Sie wirft unserer Wirklichkeit ein anderes Gewand über, lässt ihre Strukturen aber unangetastet. Phantastische Literatur dagegen denkt unsere Wirklichkeit weiter. Sie greift einzelne Aspekte heraus und entwickelt daraus utopische oder dystopische Visionen.

LP: Da scheint mir deine Erzählung aber eher auf der dystopischen Seite angesiedelt zu sein.

ZM: Ja, keine Frage. Dystopische Visionen haben in der phantastischen Literatur aber schon eine sehr lange Tradition. Denk nur an E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann, in der die zunehmende Mechanisierung und Automatisierung der Produktionsprozesse in der Industrialisierung zur Vision eines omnipotenten Wissenschaftlers gesteigert wird, der einen menschlichen Automaten entwickelt.

LP: War das ein Vorbild für den undurchsichtigen Forscher in deiner Erzählung?

ZM: Nicht direkt. Aber er steht sicher in der Tradition all dieser düsteren Bastler- und Erfinderfiguren, die das Rad unserer technischen Möglichkeiten um jenes entscheidende Stückchen weiterdrehen, durch das der Fortschritt eine existenzbedrohende Schieflage erhält.

LP: Dann bist du also ein Fortschrittsskeptiker?

ZM: Nein, das würde ich nicht sagen. Es ist nur so, dass Fluch und Segen beim wissenschaftlich-technischen Fortschritt immer eng beieinanderliegen. Man muss verantwortungsbewusst damit umgehen, damit die segensreichen Aspekte überwiegen. Dystopische Literatur zeigt, was passieren kann, wenn es an einem solchen Verantwortungsbewusstsein fehlt.

LP: Dann wollen wir mal hoffen, dass deine düsteren Visionen nicht Wirklichkeit werden!

ZM: Keine Angst – ich werde dich schon nicht als Untoter heimsuchen!

LP: Das wäre auch zwecklos – ich habe immer Knoblauch im Haus.

ZM: Der hält aber nur Vampire ab.

LP: Dann muss ich mich halt auf deine Zusage verlassen, mich zu verschonen. Und danke für das Gespräch!

English Version

Interview with Zacharias Mbizo

about his novel Luckless Homecoming

Starting next week, we will present Zacharias Mbizo’s novel Luckless Homecoming as a serial on LiteraturPlanet. To get you in the mood, we have an interview with the author today.

In Zacharias Mbizo’s novel Luckless Homecoming, a dead man complains to the responsible angelic clerk in heaven for having been unjustly and far too early removed from the Book of Life. As a result, he is allowed to return to earth for a limited period of time to solve the murder he fell victim to. Unfortunately, his new form of existence is very different from the one he was used to. Although he is once again in the world, he no longer becomes a part of it.

LiteraturPlanet: A dead man who returns to the world in order to solve the murder he himself fell victim to – how did you come up with that?

Zacharias Mbizo: There are two answers to this question: a personal one and a literary one. Which one do you want to hear first?

LP: Let’s start with the literary one – after all, we want to talk about literature in the first place here.

ZM: All right, so as far as my literary motivation is concerned, I was mainly attracted by the motif. I thought I could use it to breathe some new life into the genre of the detective novel. A dead man as a detective – that promised to spice up the crime novel soup a bit.

LP: And your personal motivation?

ZM: In this respect, the decisive factor for me was the feeling of being present and absent at the same time – in other words, of moving through the world like a living dead person.

LP: Sorry – but what does that have to do with you? You seem quite alive to me.

ZM: I’m referring primarily to writing as a form of existence here. Writing is a rather lonely business. It is true that when you publish your works, you are somehow in the world. However, you don’t really get a feeling for that – unless your name is Arthur Conan Doyle or Agatha Christie. This gives rise to the paradoxical feeling of absent presence.

LP: Don’t you have any contact with the people who read your books?

ZM: To be honest – hardly at all. However, being in contact with my readers wouldn’t change anything fundamental about the way I feel. After all, the works emancipate themselves from you as soon as they are in the world, they become the intellectual property of others. So you are a part of other people’s lives without actually being yourself – which is just another way to say that writing causes you to be dead and alive at the same time.

LP: Quite a special experience. Do you think it could be interesting for others as well?

ZM: Yes, I would say so. After all, the feeling of being there and not there at the same time does not only arise through the process of writing. People who find themselves excluded from social participation for various reasons or who have to cope with a traumatic experience that separates them from the everyday life of others go through very similar experiences.

LP: Let’s touch on another subject. I would like to talk to you about the names of two of your protagonists: Ahmet and Salvatore. That doesn’t sound very German – although Luckless Homecoming is obviously a German novel.

ZM: Which leads us to the question of what you actually mean by „German“.

LP: Well, I would quite expect a German novel to have German names for the protagonists.

ZM: But with that you ignore the fact that by now we have countless people in Germany with a migration background who are actually Germans by virtue of their entire socialisation. The only thing that seems „foreign“ about them is the name their parents gave them out of attachment to their old homeland.

LP: But doesn’t your choice of names create a somewhat exotic effect?

ZM: Would that be so bad? After all, the story is not tied to any particular place. It is not written anywhere that the action takes place in Germany.

LP: Okay, one point for you. But isn’t it going too far that the obscure researcher who appears in your novel also has a foreign name?

ZM: This name has a different background. It is a play on words that places the character in a certain literary tradition.

LP: Wait a minute … When I enter the name into a translation programme, I get … I see! Well, that explains the whole thing, of course. So would you say that your story combines elements of detective and gothic novels?

ZM: Actually, I don’t like such labels. They usually raise false expectations because they trigger very specific associations that often only have a limited connection with the work in question.

LP: But you wouldn’t deny that Luckless Homecoming is a fantastic novel?

ZM: No, of course not – although you have to be careful with that nowadays, because „fantastic literature“ is all too often equated with „fantasy literature“.

LP: Are there really such big differences between the two?

ZM: Yes, I think so. Fantasy literature is basically often a kind of disguise literature. It throws a different garment over our reality, but leaves its structures untouched. Fantastic literature, by contrast, rethinks our reality. It picks out individual aspects and develops utopian or dystopian visions from them.

LP: Seen in this light, your novel seems to me to be more on the dystopian side.

ZM: Yes, no question. Dystopian visions, however, have a very long tradition in fantastic literature. Just think of E.T.A. Hoffmann’s story The Sandman, in which the increasing mechanisation and automation of production processes in industrialisation gives rise to the vision of an omnipotent scientist who develops a human automaton.

LP: Was that a model for the dubious researcher in your novel?

ZM: Not directly. But this character is certainly in the tradition of all those sinister tinkerer and inventor figures who overstretch the wheel of our technical possibilities to such an extent that progress develops a potential that threatens our very existence.

LP: So you are a progress sceptic?

ZM: No, I wouldn’t say so. It’s just that light and dark sides are always close to each other in scientific and technological progress. You have to deal with it responsibly so that the beneficial aspects outweigh the negative ones. Dystopian literature shows what can happen if such a sense of responsibility is lacking.

LP: So let’s hope that your gloomy visions don’t come true!

ZM: Don’t worry – I won’t haunt you as an undead person!

LP: That would be pointless anyway – I always have garlic in the house.

ZM: But that only keeps vampires away.

LP: Then I’ll just have to rely on your promise to spare me. And thank you for the interview!

Bilder / Images: Anja (Cocoparisienne): Nebel / Mist (Pixabay); Okan Caliskan: allein / alone (Pixabay)

2 Antworten auf „Interview mit Zacharias Mbizo / Interview with Zacharias Mbizo

  1. Avatar von Max W.

    Max W.

    Thank you for sharing these interesting thoughts about writing and fantastic literature. It is worthwhile to follow the traditions of the phanastic literature of the 19th century and to let this tradition flow into a modern dystopia. I have already bought the eBook.

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