Der Jungbrunnen des Nichts / Nothingness as a Fountain of Youth

Zu Antontin Artauds poetischer Revolte, am Beispiel seines Gedichts Invocation à la Momie (Anrufung der Mumie) / On Antonin Artaud’s Poetic Revolt, Exemplified by his Poem Invocation à la  Momie (Invocation of the Mummy)

To The English Version

Der französische Dichter und Dramatiker Antonin Artaud (1896 – 1948) träumte von einer Verwandlung der Welt durch die Poesie. Sein eigenes Leben war allerdings alles andere als „poetisch“.

Anrufung der Mumie

Die Knochenhöhlen deiner Nasenlöcher
öffnen sich in ungeteilte Dunkelheit,
ein fremdes Schattenreich verliert sich
hinter dem Vorhang deiner Lippen.

Das Leben, dieser Knochenräuber,
schenkt dir einen Traum aus Gold,
ein trügerisches Blumenzwinkern,
das dich mit dem Licht versöhnt.

Und deine Spindelfinger, Mumie!
tasten nach deinen Eingeweiden,
diese Finger, deren Hadesschatten
als Raben flattern an der Wand.

Der Schattenschmuck des Todes,
aus einem Würfelwurf geboren,
umflackert als lautloser Schrei
den gold’nen Kerker deines Herzens.

Die erstarrte Straße deiner Adern
lässt, Mumie! uns Geschwister sein;
dies Gold, das Lebensfunken sprüht
spöttisch auf den verwaisten Leib.

Antonin Artaud: Invocation à la Momie

In: Poèmes 1913 – 1935 (PDF), hier: Poèmes 1924 – 1935, S. 90. Bibliothèque numérique romande, ebooks-bnr.com.

Ein Akt der Zensur

Künstlerische und existenzielle Grenzüberschreitungen

Erfahrung institutionalisierter Gewalt in der Psychiatrie

Artauds kathartisches „Theater der Grausamkeit“

Die Vision eines „Körpers ohne Organe“

Die befreiende Kraft der Poesie

Vereinigung von Todesverfallenheit und Transzendenz im Bild der Mumie

Nachweise, Anmerkungen, Links

Ein Akt der Zensur

Am 1. Februar 1948 gab es in Frankreich einen veritablen Fall von Zensur. Einen Tag vor dem geplanten Sendetermin – und einen Monat vor dem Tod des 51-jährigen Autors – untersagte Wladimir Porché, der Intendant von Radiodiffusion française (RDF), die Ausstrahlung des Hörstücks Pour en finir avec le jugement de dieu (Schluss mit dem Gottesurteil/-gericht) von Antonin Artaud (1).
Man muss dem Intendanten zugutehalten, dass das Hörstück in mancherlei Hinsicht aus dem Rahmen fiel. Weit davon entfernt, Erbauung zu bieten oder eine gefällige Geschichte zu erzählen, zielte es stattdessen auf die Verstörung des Publikums ab. Die Sätze wurden immer wieder von lauten Schreien, Getrommel, unmotiviertem Lachen oder Unsinnsworten unterbrochen. Außerdem überlagerten die Tonspuren sich teilweise und widersetzten sich so gezielt den tradierten Rezeptionsprozessen. So lag der Gedanke nahe, dass die Zuhörer damit überfordert sein könnten.
Auf der anderen Seite muss man wiederum Artaud zugestehen, dass er allen Grund hatte, sich der Rücksichtnahme auf die Befindlichkeiten der Menschen vor den Radios zu verweigern und seiner Skepsis gegenüber den herkömmlichen künstlerischen Darstellungsformen Ausdruck zu verleihen. Als er die Umsetzung des Hörstücks in Angriff nahm, hatte er fast neun Jahre zwangsweise in der Psychiatrie verbracht, während vor den Mauern der Anstalten unvorstellbare Gewaltorgien tobten. Aus seiner Sicht verlangte das geradezu nach einem radikal anderen, aufrüttelnden Ausdrucksstil.

Künstlerische und existenzielle Grenzüberschreitungen

Allerdings hatte Artaud sich auch vor seiner Einweisung in die Psychiatrie nicht gerade an den traditionellen Formen künstlerischen Ausdrucks orientiert. Wie die Surrealisten, deren Bewegung er sich ab 1920 eine Zeitlang angeschlossen hatte, bemühte er sich um eine Öffnung der Kunst für neue Ausdrucksformen, um damit eine neue Sicht auf die Realität zu ermöglichen und verdrängte psychische Inhalte ins Bewusstsein zu heben. Dabei lag er auf einer Linie mit André Breton, dem Begründer des Surrealismus, der 1924 in seinem ersten Manifest des Surrealismus proklamiert hatte:

Ich glaube an die künftige Auflösung dieser scheinbar so gegensätzlichen Zustände von Traum und Wirklichkeit in einer Art absoluter Realität, wenn man so sagen kann: Surrealität.(2)

Für Artaud hatte die Verwischung der Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit allerdings eine sehr konkrete Bedeutung. Nach einer Hirnhautentzündung in der frühen Kindheit litt er zeitlebens an chronischen Nervenentzündungen. Dies hatte ihn schon früh in die Drogenabhängigkeit getrieben. Außer Opium und Heroin konsumierte er auch Peyotl, ein aus einer Kaktuspflanze gewonnenes Rauschmittel.
Artaud hatte das Peyotl 1936 während eines zehnmonatigen Aufenthalts bei den mexikanischen Tarahumara kennengelernt. Die Erfahrungen, die er unter dem Einfluss der Droge machte, bestärkten ihn darin, die herkömmliche Sicht der Realität und des eigenen Ichs hinter sich zu lassen:

Das Peyotl führt das Ich an seine wahren Quellen. Wenn man aus einer solchen Vision erwacht, kann man nicht mehr wie vorher die Lüge mit der Wahrheit verwechseln. Man hat gesehen, woher man kommt und wer man ist, und man zweifelt nicht länger an dem, was man ist.[3]

Erfahrung institutionalisierter Gewalt in der Psychiatrie

Genau jene andere Realität, in die Artaud nach seinen rauschhaften Erfahrungen in Mexiko übertrat, erwies sich jedoch als inkompatibel mit dem bürgerlichen Alltag. Vielleicht war die Reise aus dem mexikanischen Urwald zu den irischen Druiden, die er nach dem Aufenthalt bei den Tarahumara antrat, aber auch für ihn selbst eine geistige Überforderung.
Jedenfalls endete diese Reise mit der Obdachlosigkeit des Autors in Dublin und seiner Ausweisung aus Irland. In Frankreich folgte dann die Einweisung in die Psychiatrie, wo Artaud das ganze Arsenal institutionalisierter Grausamkeit über sich ergehen lassen musste. Außer mit Insulintherapien wurde er auch mit Elektroschocks traktiert. Wie Artaud berichtet, wurden diese auch als Strafe eingesetzt, wenn der Patient sich dem Drogenentzug verweigerte:

Dr. F., leitender Arzt der Anstalt von Rodez, hat von der Aufseherin 1 Gramm Heroin konfisziert, das sie mir bringen wollte, (…) und hat mir vier Abfolgen von Elektroschocks aufgezwungen, das heißt 40 Komas den bereits 10 vorausgegangenen hinzugefügt, denen er mich unterzogen hat, weil ich ihn um 25 Tropfen Laudanum [Opiumtinktur] bat.“ [4]

Artauds kathartisches „Theater der Grausamkeit“

In gewisser Weise lassen sich die Erfahrungen, die Artaud in der Psychiatrie machen musste, als rückwirkende Bestätigung für seine wohl berühmteste Idee ansehen: das „théâtre de la cruauté“ (Theater der Grausamkeit). Denn dessen erklärtes Ziel war es ja gerade, jene Formen struktureller Gewalt, wie sie Artaud in der Psychiatrie erleben musste, ins Bewusstsein zu rücken und so letztlich zu überwinden [5].
Um dieses Ziel zu erreichen, verweigert sich das Theater der Grausamkeit jeder Form von bürgerlichem Kunstgenuss. Stattdessen soll die im gesellschaftlichen Alltag wirksame Gewalt erfahrbar gemacht werden. Indem sie exemplarisch durchlebt wird, soll eine Art von Katharsis bewirkt werden, die dazu führt, dass die Einzelnen ihr Verhalten überdenken und so langfristig auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene Veränderungen in Gang bringen. Diesem Ziel entsprechend, bezeichnete Artaud die von ihm anvisierte Form des Theaters auch als „alchimistisches“ oder „metaphysisches“ Theater – und betonte so die geistigen Veränderungen, die durch es erzielt werden sollten [6].
Um eine unmittelbare Wirkung erzielen zu können, war für das Theater der Grausamkeit auch eine veränderte Sitzordnung vorgesehen. Die Zuschauer sollten sich nicht mehr in der Dunkelheit des Theaters verkriechen können, sondern in das Spiel einbezogen werden. Anstatt den Schauspielern gegenüberzusitzen, wollte Artaud die Bühne kreisförmig um das Publikum herum anordnen.
Ein weiteres wichtiges Merkmal des Theaters der Grausamkeit ist ein neues Verständnis von Sprache. Anstatt lediglich das sprachliche Konstrukt eines anderen zur Darstellung zu bringen, sollte das Theater selbst zu den Zuschauern sprechen. Ziel war es, „die Unterwerfung des Theaters unter den Text zu durchbrechen und den Begriff einer Art von Sprache zwischen Gebärde und Denken wiederzufinden“ [7].
Dafür war zum einen vorgesehen, verstärkt auf nicht-wortförmige Ausdrucksmittel zurückzugreifen, wie nonverbale Laute, nicht-menschliche Töne und einen gezielten Einsatz der Beleuchtung. Zum anderen fungierten bei Artaud – der hierin durch das Balinesische Theater inspiriert worden war – aber auch die Schauspieler selbst als „Hieroglyphen“ [8]: Durch ihre Darbietung sollten sie eine eigene, nonverbale Sprache entstehen lassen.

Die Vision eines „Körpers ohne Organe“

Mit dem „Theater der Grausamkeit“ verbindet Artaud zudem die Annäherung an ein weiteres, auf den ersten Blick befremdlich wirkendes Ideal: das eines Körpers ohne Organe. Der Grundgedanke ist dabei, dass die Organe zwar für den Erhalt des Lebens unverzichtbar sind, den Menschen aber gleichzeitig an eine Existenz fesseln, in der er nicht zu Hause ist. Oder genauer: aus der er durch das über jeden Menschen verhängte Todesurteil schon bei seiner Geburt ausgestoßen ist:

Die Organe wurden nur geschaffen, um die Wesen zu ernähren, während diese vom Grundsatz her verurteilt wurden und keinerlei Existenzberechtigung haben.“ [9]

Das Theater der Grausamkeit soll vor diesem Hintergrund nicht nur eine soziale, sondern auch eine existenzielle Befreiung bewirken. Es soll „durch einen neuen Tanz des menschlichen Körpers“ [10] eine neue Wirklichkeit erschaffen, in der die Existenz des Körpers nicht mehr nur auf materiellen, sondern auch auf geistigen Organen beruht. Deren zentrales Kennzeichen wäre dabei eine völlige Unabhängigkeit, die sich sowohl auf die materielle als auch auf die bisherige geistige Existenz der Menschheit bezieht.
Ausführlich bringt Artaud dies auch in einer Passage aus dem oben zitierten Hörstück Pour en finir avec le jugement de dieu (Schluss mit dem Gottesurteil/-gericht) zum Ausdruck:

Der Mensch ist krank, weil er schlecht konstruiert ist. Wir müssen uns dazu entschließen, sein Innenleben freizulegen, um dieses Tierchen abzukratzen, das ihm ein ruhiges Leben verunmöglicht: Gott – und mit Gott seine Organe. Denn nichts wird mich von meiner Überzeugung abbringen, dass es nichts Nutzloseres gibt als ein Organ. Wenn man dem Menschen zu einem Körper ohne Organe verhilft, dann wird man ihn von all seinen Automatismen befreit und ihm seine wahre Freiheit zurückgegeben haben. Dann wird er lernen, wieder auf dem Kopf zu tanzen, wie im Rausch der Ballsäle, und dieses Auf-dem-Kopf-Tanzen wird ihm seinen wahren Platz in der Welt zeigen.“ [11]

Die befreiende Kraft der Poesie

Natürlich ist und bleibt ein Körper ohne Organe ein Paradoxon. Ein Körper ohne Organe ist im Grunde – nichts.
Dieser Tatsache war sich selbstverständlich auch Antonin Artaud bewusst. So konstatiert er bereits 1925:

Man muss die wahre, verjüngende Kraft des Nichts kennen, das Nichts, das kein Organ mehr hat.“ [12]

Die positive Bezugnahme auf das Nichts, das hier wie ein Jungbrunnen erscheint, weist deutliche Anklänge an die Mystik auf, in der das Nichts quer durch alle Religionen ein Symbol einer Befreiung von dem Gefängnis der materiellen Existenz ist. Allerdings ist diese Befreiung bei Artaud in keiner Weise religiös konnotiert. Stattdessen verbindet er die Befreiung von den materiellen Organen mit der Geburt eines vollständig von der Poesie durchdrungenen Wesens [13].
Der romantische Impuls, die Welt und das eigene Ich mit Hilfe der Poesie zu verwandeln, geht bei Artaud demnach mit dem Gedanken einer sowohl geistigen als auch sozialen Befreiung einher.

Vereinigung von Todesverfallenheit und Transzendenz im Bild der Mumie

Vor diesem Hintergrund lässt sich nun auch Artauds Invocation à la momie (Anrufung/Beschwörung der Mumie) entsprechend einordnen. Denn die Mumie repräsentiert genau jenes Ideal, das Artaud sich erträumt: das eines Körpers ohne Organe.
Vordergründig bezeugt die Mumie dabei den Preis, der für eine solche Daseinsform zu zahlen ist: den des unwiderruflichen Endes der leiblichen Existenz. Dennoch zeichnet Artauds Gedicht das Bild eines Kadavers, der auf vielfältige Weise von geheimem Leben erfüllt ist.
So ergibt sich die Wirkung eines Vexierbildes: Aus der Perspektive des Betrachters der Mumie weist diese voraus auf das düstere Schicksal, das jedem Menschen unabwendbar bevorsteht. Aus der Perspektive der Mumie erscheint der Tod dagegen als Vorhang, hinter dem das Leben wie bei einem Schattenspiel weitergeht. In dem Spiegel des Bildes, das der Betrachter von ihr entwirft, lebt sie auf makabre Weise weiter.
In der Anrufung der Mumie sieht Artaud damit die Todesverfallenheit des Menschen mit ihrer symbolischen Überwindung zusammen. Das geistige „Organ“, das diese Transzendenz ermöglicht, ist dabei eben, entsprechend Artauds poetischer Revolte – die Poesie.

  1. Die Ursprungsfassung des Hörstücks ist im Netz abrufbar: Pour en finir avec le jugement de dieu (November 1947). In den Gesammelten Werken Artauds findet es sich in Band 13: Oeuvres complétes, tome 13, Paris 1974: Gallimard. Die Gesammelten Werke umfassen insgesamt 26 Bände und wurden zwischen 1970 und 1994 von Paule Thèvenin herausgegeben.
  2. Breton, André: Erstes Manifest des Surrealismus (1924). In: Ders.: Die Manifeste des Surrealismus (frz. 1962, dt. 1968), S. 9 – 43 (hier S. 18). Reinbek 1986: Rowohlt. Französisches Original: Manifeste du surréalisme.
  3. Artaud, Les Tarahumaras (Oeuvres Complétes X, 34); hier zit. nach Schlutz, Alexander: „Es ist hart und schwer, mich zu lieben“. Jenseits von Kunst und Kultur: Antonin Artaud. In: parapluie.de (no. 3, Winter 1997/98), S. 6 f. (in der PDF-Version des Artikels).
  4. Artaud, Oeuvres Complétes XIV/1, S.  137. Paris 1978; hier zit. nach ebd., S. 1 f. (in der PDF).
  5. Seine Überlegungen zum „Theater der Grausamkeit“ hat Artaud 1938 in dem Essayband Das Theater und sein Double zusammengefasst (vgl. Oeuvres complétes, tome 13). In deutscher Übersetzung (von Gerd Henniger) ist der Band erstmals 1969 im S. Fischer Verlag erschienen (neu aufgelegt 2012 bei Mathes & Seitz).
  6. Vgl. Mattheus, Bernd: „Das Theater der Grausamkeit“. Ein kapitales Missverständnis. In: Artaud, Antonin: Das Theater und sein Double. Das Théâtre de Séraphin, S. 271. Berlin 2012: Matthes & Seitz.
  7. Artaud, Antonin: Das Theater der Grausamkeit (Erstes Manifest), In: Ders., Das Theater und sein Double (s. 5), S. 95.
  8. Artaud, Antonin: Über das Balinesische Theater. In: Ders.: Das Theater und sein Double (s. 5), S. 58.
  9. Artaud, Oeuvres complétes, Bd. 13, S. 287. Die Passage ist nicht in der Ursprungsfassung des Essays über das „théâtre de la cruauté“ enthalten; im Original Französisch.
  10. Ebd.
  11. Ebd., S. 104.
  12. Artaud, Oeuvres complétes, Bd. 1, S. 87 („Il faut connaître le vrai néant effilé, le néant qui n’a plus d’organe“).
  13. Artaud, Brief an Henri Parisot, Rodez, 6. Oktober 1945; hier zit. nach De Simone, Cristina: La recherche du dernier Artaud et le développement à Paris de la poésie en action. In: Revue Sciences/Lettres, 27. Mai 2019: L’Écho du Théâtre 2. Wörtlich spricht Artaud von der „körperlichen und tatsächlichen Materialisierung eines vollständig poetischen Wesens“ („matérialisation corporelle et réelle d’un être intégral de poésie“)
Agence de presse Meurisse: Antonin Artaud, 1926 (Gallica Digital Library / Wikimedia commons)

English Version

Nothingness as a Fountain of Youth

On Antonin Artaud’s Poetic Revolt, Exemplified by his Poem Invocation à la  Momie (Invocation of the Mummy)

The French poet and playwright Antonin Artaud (1896 – 1948) dreamed of transforming the world through poetry. His own life, though, was anything but „poetic“.

Invocation of the Mummy

The bone caves of your nostrils
open into undivided darkness,
a strange realm of shadows looms
behind the curtain of your lips.

Life, that relentless bone eater,
bestows upon you a dream of gold,
a deceptive floral wink
that reconciles you with the light.

And your spindle fingers, mummy!
grope for your entrails,
those fingertips whose Hades shadows
flutter as ravens on the wall.

The shady ornament of death,
born of a roll of the dice,
flickers like a silent scream
around the golden dungeon of your heart.

The frozen road of your veins
unites us, mummy! as brothers and sisters;
this gold that sprinkles sparks of life
mockingly on the orphaned body.

Antonin Artaud: Invocation à la Momie

In: Poèmes 1913 – 1935 (PDF), here: Poèmes 1924 – 1935, S. 90. Bibliothèque numérique romande, ebooks-bnr.com.

An Act of Censorship

Artistic and Existential Border Crossings

Experience of Institutionalised Violence in Psychiatry

Artaud’s Cathartic „Theatre of Cruelty“

The Vision of a „Body without Organs“

The Liberating Power of Poetry

Unification of Mortality and Transcendence in the Mirror of the Mummy

References, Notes, Links

An Act of Censorship

On February 1, 1948, a veritable case of censorship occurred in France. One day before the scheduled broadcast date – and one month before the death of the 51-year-old author –, Vladimir Porché, the director of Radiodiffusion française (RDF), prohibited the broadcast of the radio play Pour en finir avec le jugement de dieu (Putting an End to the Judgement of God) by Antonin Artaud (1).
To the director’s credit, we have to admit that the radio play was quite out of the ordinary in some respects. Far from offering edification or telling a pleasing story, it aimed to disturb the audience instead. The sentences were repeatedly interrupted by loud screams, drumming, unmotivated laughter or nonsense words. In addition, the sound tracks partially overlapped and thus deliberately contradicted the traditional processes of reception. So the idea suggested itself that the listeners might be overstrained by this.
On the other hand, it must be conceded that Artaud had every reason to reject any consideration for the sensitivities of the audience and to express his scepticism towards conventional forms of artistic representation. When he set about realising the radio play, he had spent almost nine years forcibly in a psychiatric ward while unimaginable orgies of violence raged outside. From his point of view, this virtually demanded a radically different, stirring style of expression.

Artistic and Existential Border Crossings

However, Artaud had not exactly orientated himself towards traditional forms of artistic expression even before he was committed to a psychiatric ward. Like the Surrealists, whose movement he had joined for a time from 1920 onwards, he strove to open up art to new forms of expression in order to allow a new view of reality and to bring repressed psychic content to consciousness. In this, he was in line with André Breton, the founder of Surrealism, who had proclaimed in his first Surrealist Manifesto in 1924:

I believe in the future dissolution of these seemingly so contradictory states of dream and reality into a kind of absolute reality – a surreality, so to speak.“ (2)

For Artaud, however, the blurring of the boundaries between dream and reality had a very concrete meaning. After a meningitis in early childhood, he suffered from chronic neuritis throughout his life. This had driven him into drug addiction at an early age. In addition to opium and heroin, he also consumed peyotl, a narcotic derived from a cactus plant.
Artaud had become acquainted with peyotl in 1936 during a ten-month stay with the Mexican Tarahumara. The experiences he made under the influence of the drug encouraged him to leave behind the conventional view of reality and of his own ego:

The peyotl leads the ego to its true sources. When you awake from such a vision, you can no longer confuse the lie with the truth as you did before. You have seen where you come from and who you are, and you no longer doubt what you are.“ [3]

Experience of Institutionalised Violence in Psychiatry

However, precisely that other reality into which Artaud crossed over after his inebriating experiences in Mexico proved incompatible with bourgeois everyday life. Moreover, the journey from the Mexican jungle to the Irish druids, which he embarked on after his stay with the Tarahumara, might have been a mental overload for him.
In any case, this journey ended with the author’s homelessness in Dublin and his expulsion from Ireland. This was followed in France by committal to a psychiatric ward, where Artaud had to endure the whole range of institutionalised cruelty. In addition to insulin therapy, he was also subjected to electric shocks. As Artaud reports, these were also used as punishment if the patient objected to drug withdrawal:

Dr. F., chief physician of the Rodez asylum, confiscated from the wardress 1 gram of heroin which she wanted to bring me, (…) and imposed on me four sequences of electric shocks, that is, 40 comas added to the 10 already preceding, to which he subjected me because I asked him for 25 drops of laudanum [tincture of opium].[4]

Artaud’s Cathartic „Theatre of Cruelty“

In a certain sense, Artaud’s experiences in psychiatry can be seen as a retrospective confirmation of his most famous idea: the „théâtre de la cruauté“ (theatre of cruelty). After all, the declared aim of the latter was precisely to raise awareness of the forms of structural violence that Artaud had to experience in psychiatry and thus ultimately to overcome them [5].
To achieve this goal, the Theatre of Cruelty refuses any form of bourgeois enjoyment of art. Instead, the violence in everyday societal life is to be made tangible. By experiencing this violence in an exemplary way, a kind of catharsis should be brought about that leads individuals to rethink their behaviour and thus, in the long run, initiate changes on the level of society as a whole. In line with this goal, Artaud also referred to the form of theatre he envisioned as „alchemical“ or „metaphysical“ – and thus emphasised the mental changes that were to be achieved through it [6].
In order to ensure an immediate impact, the Theatre of Cruelty was also intended to have a different seating arrangement. The audience should no longer be able to cower in the darkness of the theatre, but be included in the play. Instead of sitting opposite the actors, Artaud wanted to arrange the stage in a circle around the audience.
Another important feature of the Theatre of Cruelty is a new understanding of language. Instead of merely presenting someone else’s linguistic construct for performance, the theatre itself was to speak to the audience. The aim was to „break through the theatre’s subjection to the text and to rediscover the concept of a kind of language between gesture and thought“ [7].
To this end, Artaud wanted to make greater use of non-verbal means of expression, such as non-verbal sounds, non-human tones and a specific use of lighting. Furthermore, Artaud – who was inspired in this by Balinese theatre – also used the actors themselves as „hieroglyphs“ [8]: Through their performance, they were to create their own non-verbal language.

The Vision of a „Body without Organs“

With the „Theatre of Cruelty“, Artaud also connects the approach to another ideal that at first glance might appear strange: that of a body without organs. The basic idea here is that the organs are indispensable for maintaining life, but that at the same time they bind people to an existence in which they are not at home. Or more precisely: from which they are already expelled at birth by the death sentence imposed on every human being:

Organs were created only to nourish beings, while these were condemned in principle and have no right to exist.[9]

Against this background, the Theatre of Cruelty is intended to bring about not only a social but also an existential liberation. It is supposed to create a new reality „through a new dance of the human body“ [10], in which the existence of the body is no longer based only on material organs, but also on spiritual organs. The central characteristic of these would be a complete independence that relates to both the material and the previous spiritual existence of humanity.
This is expressed in detail by Artaud in a passage from the radio play Pour en finir avec le jugement de dieu (Putting an End to the Judgement of God) quoted above:

Man is sick because he is badly constructed. We must uncover his inner life, to scrape off this little animal that makes it impossible for him to live a tranquil life: God – and with God, his organs. For nothing will dissuade me from my conviction that there is nothing more useless than an organ. If you provide man with a body without organs, then you will have freed him from all his automatisms and given him back his true freedom. Then he will learn to dance on his head again, as in the frenzy of the ballrooms, and this dancing will show him his true place in the world.“ [11]

The Liberating Power of Poetry

Of course, a body without organs is and remains a paradox. A body without organs is basically – nothing.
Naturally, Antonin Artaud was aware of this fact as well. As early as 1925, he stated:

One must know the true, rejuvenating power of nothingness, the nothingness that no longer has an organ.[12]

The affirmative reference to nothingness, which appears here like a fountain of youth, has clear echoes of mysticism, in which nothingness, across all religions, is a symbol of liberation from the prison of material existence. However, this liberation is in no way religiously connoted in Artaud’s work. Instead, he associates liberation from material organs with the birth of a being completely imbued with poetry [13].
The romantic impulse to transform the world and one’s own self with the help of poetry is thus accompanied in Artaud’s work by the idea of both spiritual and social liberation.

Unification of Mortality and Transcendence in the Mirror of the Mummy

Against this background, Artaud’s Invocation à la Momie (Invocation of the Mummy) can finally be appropriately understood. After all, the mummy represents precisely the ideal that Artaud dreams of: that of a body without organs.
On the surface, the mummy testifies to the price that has to be paid for such a form of existence: that of the irreversible end of physical existence. Nevertheless, Artaud’s poem paints the picture of a cadaver that is filled with secret life in many ways.
As a result, a Janus-faced image enfolds: From the perspective of the person looking at the mummy, it points ahead to the gloomy fate that inevitably awaits every human being. From the perspective of the mummy, on the other hand, death appears as a curtain behind which life continues as in a shadow play. In the mirror of the image the beholder creates of her, she lives on in a macabre way.
In the Invocation of the Mummy, Artaud thus combines man’s condemnation to death with the symbolic overcoming of it. The spiritual „organ“ that makes this transcendence possible is, in accordance with Artaud’s poetic revolt – poetry.

  1. The original version of the radio play is available on the web: Pour en finir avec le jugement de dieu (November 1947). In Artaud’s Collected Works it can be found in volume 13: Oeuvres complétes, tome 13, Paris 1974: Gallimard. The Collected Works comprise a total of 26 volumes and were edited by Paule Thèvenin between 1970 and 1994.
  2. Breton, André: First Manifesto of Surrealism (1924). In: Breton, Manifestoes of Surrealism (French 1962, German 1968), pp. 9 – 43 (here p. 18). Reinbek 1986: Rowohlt. French original: Manifeste du surréalisme.
  3. Artaud, Les Tarahumaras (Oeuvres Complétes X, 34); here quoted after Schlutz, Alexander: „Es ist hart und schwer, mich zu lieben“. Jenseits von Kunst und Kultur: Antonin Artaud („It is hard and difficult to love me“. Beyond Art and Culture: Antonin Artaud. In: parapluie.de (no. 3, Winter 1997/98), p. 6 f. (in the PDF version of the article).
  4. Artaud, Oeuvres Complétes XIV/1, S.  137. Paris 1978; here quoted after ibid., p. 1 f. (PDF).
  5. Artaud summarised his reflections on the „theatre of cruelty“ in 1938 in the essay volume The Theatre and its Double (cf. Oeuvres complétes, tome 13); quoted according to the German translation (by Gerd Henniger), first published in 1969 by S. Fischer Verlag (reprinted in 2012 by Mathes & Seitz).
  6. Cf. Mattheus, Bernd: „The Theatre of Cruelty“. A Major Misunderstanding. In: Artaud, Antonin: Das Theater und sein Double. Das Théâtre de Séraphin, p. 271. Berlin 2012: Matthes & Seitz.
  7. Artaud, Antonin: The Theatre of Cruelty (First Manifesto), see (5), p. 95.
  8. Artaud, Antonin: On Balinese Theatre, see (5), p. 58.
  9. Artaud, Oeuvres complétes, vol. 13, p. 287. The passage is not included in the original version of the essay on the „théâtre de la cruauté“; French in the original.
  10. Ibid.
  11. Ibid., p. 104.
  12. Artaud, Oeuvres complétes, vol. 1, p. 87 („Il faut connaître le vrai néant effilé, le néant qui n’a plus d’organe“).
  13. Artaud, letter to Henri Parisot, Rodez, October 6, 1945; here quoted after De Simone, Cristina: La recherche du dernier Artaud et le développement à Paris de la poésie en action. In: Revue Sciences/Lettres, Mai 27, 2019: L’Écho du Théâtre 2. Literally, Artaud speaks of the „physical and actual materialisation of a completely poetic being“ („matérialisation corporelle et réelle d’un être intégral de poésie“)

Titelbild: ESD-SS: Ägyptische Mumie (Pixabay)

Eine Antwort auf „Der Jungbrunnen des Nichts / Nothingness as a Fountain of Youth

  1. Elias

    Vielen Dank für diesen spannenden Beitrag. Ich habe zwar schon mal von Artaud gehört, mich aber nie näher mit seinem Werk und seinen poetologischen Überlegungen beschäftigt. Was sehr deutlich wird ist die sublimierende Kraft der Poesie. Artaud litt wohl seit seiner Kindheit an chronischen Schmerzen. Das ist ein.schlimmes Schicksal und Leid. Der Dichter Antonin Artaud wäre aber ohne dieses nicht möglich gewesen. Wie er dann die entsetzliche Gewalt in der Psychiatrie verarbeitet hat und zwar künstlerisch verarbeitet, nötigt mir extremen Respekt ab. Noch eine Frage geistert mir durch den Kopf: Sind wir heute noch in der Lage, seine poetische Haltung zu erfassen??? Ist Lyrik nicht zu einer Art Lifestyle oder bildungsbürgerlichen Schmuck, zur „Unterhaltung“ verkommen??? – Die wenigen Reaktionen auf diesen hervorragenden Beitrag zeigen, dass Lyrik, die auch mal ein Einlassen verlangt oder wehtut, sich schlechter „verkauft.“

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