Kaum sind die letzten Schneereste zu schwarz-grünen Klumpen geronnen, legt die alte Kanalkokotte ihr Brautgewand an. So vielen Fischerhänden hat sie sich willig hingegeben. Jetzt aber, da die Finger der Sonne über ihren Rücken streichen, strahlt sie plötzlich wieder die Anmut einer jungen Geisha aus, jetzt verströmt sie den Duft der Verheißung, die Vorahnung der Kirschblüten, die bald auf sie niederregnen werden.
Staunend hältst du inne und wirfst ihr einen verstohlenen Blick zu. Sie aber räkelt sich so selbstvergessen zwischen den moosbewachsenen Fundamenten der Häuser, dass sie, so scheint es dir, gar keine Notiz von dir nimmt.
Erst am Abend, als der Mond hinter dem Gitter des Geästs an seiner Geheimschrift webt, ist es dir auf einmal, als hätte sie dir zugezwinkert.

Imaginary Smile

As soon as the last remnants of snow have coagulated into black-green clumps, the old canal coquette puts on her bridal robe. So many fishermen’s hands have been allowed to grope her. But now, as the fingers of the sun brush across her back, she suddenly radiates the grace of a young geisha again, now she exudes the scent of promise, the foreboding of the cherry blossoms that will soon rain down on her.
You pause in amazement and cast a furtive glance at her. But she lolls so absent-mindedly between the moss-covered foundations of the houses that, so it seems to you, she takes no notice of you at all.
Only in the evening, when the moon is weaving its cryptic message behind the lattice of the branches, it suddenly seems to you as if she had winked at you.

Bilder / Pictures: Ilka Hoffmann: Die Nidda am Abend / The river Nidda in the evening (Frankfurt-Rödelheim); Dea Jeung Kim: Frühling / Spring (Pixabay)