Adam Ziemianins Gedicht Pod wieczór (Am Abend)
Als Scharnier zwischen Tag und Nacht ist der Abend ein Symbol für ein Tor in eine andere Welt. So trägt die Beschreibung einer Abendstimmung in einem Gedicht des polnischen Lyrikers Adam Ziemianin auch unverkennbar religiöse Züge.
Am Abend
Vertrauensvoll gen Himmel
die roten Fühler streckend,
tastet sich die Waldameise
in das Abenteuer ihres Weges.
Aus Gottes Hand gefallen,
schwebt eine Feder,
kupferrot im Abendlicht funkelnd,
in Gottes andere Hand.
Von himmlischen Funken hallend,
webt der Tau ein Tupfenmosaik
in das Labyrinth der Spinnen
und das Gefieder der Gräser.
Mit ätherischer Stimme singend,
fügt eine Engelstaube
Tag und Nacht zusammen
in einem gemeinsamen Traum.
Vom Atem des Alls bestäubt,
stürzt sich belebend der Bach
vom rotgoldenen Gipfel ins Tal,
die Weißdornwundmale heilend.
Adam Ziemianin: Pod wieczór aus: Wiersze dla Marii (Gedichte für Maria; 1985)
Vertonung von Krzysztof Myszkowski / Stare Dobre Małżeństwo:
Infos über Adam Ziemianin in dem Beitrag Der Zauberstab der Dichtung
Podcast zu Adam Ziemianin
Bild: Johannes Plenio: Herbstlicher Weg (Pixabay)