aus dem Textzyklus Gesichter des Todes / From the Text Cycle Faces of Death
Gemessen an der Unermesslichkeit des Kosmos sind wir bedeutungsloser als ein Sandkorn. Dennoch kränkt uns nichts mehr als die Eigenart des Todes, uns vollständig zum Verschwinden zu bringen. – Abschließender Text aus Ilona Lays Gesichtern des Todes.
Der Tod ist ein Loch in der Zeit
Der Tod ist ein Loch in der Zeit,
in dem du spurlos verschwindest.
Niemand wird dich jemals finden,
niemand deinen Abgrund ergründen.
Aber wer sollte auch nach dir suchen?
Wer glaubt schon an Löcher im Gewand der Zeit,
der unfehlbaren, unbeirrbaren Königin der Welt?
Ist sie nicht von mönchischer Strenge, die Zeit,
eine Pilgerin auf dem Weg in die Unendlichkeit?
Doch selbst jene, die an das Unglaubliche glauben,
werden erst dann an ein Loch in der Zeit gelangen,
wenn sie sich selbst in einem verfangen.
Dann aber bleibt auch von ihnen keine Spur.
So verschwindet die Wahrheit mit den Verschwundenen:
Die weite, wohlgegliederte Ebene der Zeit
ist nur eine Fata Morgana, ein Schleier
vor der Wahrheit unserer Augenblickshaftigkeit.
Eintagsfliegen sind wir,
Kometenblitze,
im Kreis herumgewirbelt
von einem chaotischen Strudel.
Jauchzend treiben wir darin,
Kinder, vom Karussellflug berauscht.
Aufblitzend sind wir schon verschwunden
im Abgrund der Zeit,
spurlos,
als wären wir nie gewesen.
English Version
lona Lay: Death is a Hole in Time
Compared to the immensity of the cosmos, we are more insignificant than a grain of sand. Yet nothing offends us more than the peculiarity of death to make us completely disappear. – Concluding text from Ilona Lay’s Faces of Death.
Death is a Hole in Time
Death is a hole in time,
a gap in which you disappear
without a trace.
No one will ever find you,
no one will fathom your abyss.
And how could anyone think of searching for you?
Who would believe in holes
in the garment of Time,
the infallible, unwavering queen of the world?
Is Time not of monastic austerity,
a pilgrim on the way to infinity?
But even those who believe in the unbelievable
will never reach a hole in time
unless they themselves become trapped in one.
But then no trace remains of them either.
So the truth disappears with the disappeared:
The vast, well-structured plane of time
is only a mirage, a veil that conceals
the truth of our ephemerality.
Mayflies – that’s what we are,
flashes of comets,
whirled around in circles
by a chaotic swirl.
We drift in it, exulting with joy,
like children, exhilarated by the merry-go-round.
Blinking, we have already disappeared
in the abyss of time
without a trace,
as if we had never existed.
Bilder / Images: Dorothe (Darkmoon_Art): Wurmloch / Wormhole (Pixabay); PIRO4D: Zeittunnel / time tunnel (Pixabay
Jupp Münster
Mit diesen Gedanken klar zu kommen, ist sehr schwer. Wie nehmen wir uns doch so wichtig, häufen Dinge an, wollen Karriere machen … Es hilft nur eins: Leben so gut es jeden Tag geht. Mein Leben geht eher diesem beschriebenen Ende zu. Ich bin nun schon 95. Aber jeden Tag, den ich auf dieser Erde bin, eine schönen Vogel, einen Sonnenstrahl oder das Lächeln einer Frau erhasche, ist für mich ein Glücksmoment.
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