Gedanken über Josef von Nazareth
Eine Weihnachtsmeditation von Bruder Norabus
Von Josef von Nazareth ist an Weihnachten immer nur am Rande die Rede. Dabei gibt es einiges an ihm, das ihn weit eher zum Erlöser der Menschheit prädestiniert als seinen Stiefsohn. – Eine Weihnachtsmeditation von Bruder Norabus.
In der Weihnachtspredigt von Abt Ägidius stand mal wieder die „Heilige Familie“ im Mittelpunkt. Bis zu einem gewissen Grad liegt das in der Natur der Sache – schließlich ist das Schicksal der „Heiligen Familie“ ja der Kern von Weihnachtsgeschichte und Weihnachtsfest.
Dennoch ermüden mich manchmal die immer gleichen Geschichten. Auch das ist wohl nur allzu natürlich. Es ist kaum zu verhindern, dass man innerlich abstumpft, wenn jedes Jahr aufs Neue dieselben Erzählbausteine formelhaft aneinandergereiht werden.
Dabei wäre es durchaus möglich, die Weihnachtsgeschichte einmal anders zu erzählen. Manche Erzählbausteine sind sicher unverzichtbar – die Wanderung durch die fremde, abweisende Welt, in der am Ende nur ein schäbiger Stall Zuflucht bietet; die Gottesmutter, die im Stroh neben den staunenden Eseln und Ochsen ihren Sohn zur Welt bringt; und natürlich der Eintritt des Heilands in die Welt, die Geburt des Erlösers, der im Staub der Flucht von Anfang an erfährt, von was er die Welt zu erlösen hat.
Dennoch könnte für die ganze Geschichte auch einmal eine andere Perspektive gewählt werden – etwa die von Josef. Von ihm nämlich ist in der Regel nur am Rande die Rede. Wenn er erwähnt wird, dann meist nur in der Wendung „Maria und Josef“ oder indirekt, als mitgedachter Teil der „heiligen Familie“. Josef ist, so scheint es, lediglich ein untergeordneter Teil des Erlösungsgeschehens. Er ist der Mann im Hintergrund – nicht unwichtig, aber eben auch nicht spielentscheidend.
Dabei hat Josef, wenn wir seine Figur genauer betrachten, einiges an sich, was ihn weit eher zum Erlöser der Menschheit prädestiniert als seinen ungleich berühmteren Sohn. Dies zeigt sich schon daran, dass Josef ein „moderner“ Mann war: Er war bei der Geburt seines Sohnes dabei, er erhob keine Besitzansprüche auf seine Frau, und er zwängte seinen Sohn nicht in das Korsett vorgefertigter Normen, sondern ermöglichte es ihm, seine Persönlichkeit frei zu entfalten und sich entsprechend zu betätigen.
Wie würde die Welt wohl aussehen, wenn Männer wie Josef ihre Geschicke lenken würden – und nicht all die Potentaten, die ihren Lebenssinn darin sehen, andere Menschen zu beherrschen und sich die Welt untertan zu machen?
Dieser Frage geht Bruder Norabus in seiner Weihnachtsmeditation nach. Sie kann angehört werden auf literaturplanetpodcast.com:
Der Mann im Schatten. Gedanken über Josef von Nazareth

Bild: Johann Nepomuk della Croce (1736 – 1819): Heiliger Joseph mit Jesuskind (1795); Stadtmuseum Burghausen (Wikimedia commons)