Das Gedicht Psalm Grzesznika (Psalm eines Sünders) des polnischen Lyrikers Jan Rybowicz
In seinem Psalm Grzesznika (Psalm eines Sünders) fragt Jan Rybowicz nach der Schuld derer, die Unrecht sehenden Auges geschehen lassen. Ist ihre Schuld nicht sogar größer als die jener, die das Unrecht gedankenlos begehen?
Psalm eines Sünders
Schuld habe, Herr, ich auf mich geladen!
Den Mörder habe ich nicht aufgehalten,
bevor er zu morden begann.
So groß ist, Herr, meine Schuld!
Meine Ohren habe ich verschlossen
vor dem Gerede der Selbstgerechten,
meine Augen habe ich verschlossen,
als sie den Thron bestiegen.
Schuldig bin ich,
schuldig, schuldig, schuldig!
Den Feiglingen habe ich
feige die Hand gereicht
und Diebe verstohlen umarmt.
Schuldig bin ich, schuldig, Herr!
Ich schwieg zu dem Diebstahl der Macht,
ich schwieg zu dem Missbrauch der Macht,
ich schwieg zu meinem Schweigen.
Deshalb bestrafe mich, Herr,
denn die fremde Schuld ist auch die meine.
Größer ist in Wahrheit, Herr, meine Schuld
als die der Täter, über die ich klage.
Was sie gedankenlos verbrachen,
habe ich in Gedanken durchlebt.
So höre, Herr, diese Beichte eines Sünders,
seine aufrichtige Reue, durchglüht von Hoffnung
auf Barmherzigkeit, auf den Verzicht auf Strafe
für den klaren Blick, mit dem du, Herr,
den reuigen Sünder gestraft hast.
Jan Rybowicz: Psalm Grzesznika (Psalm eines Sünders)
Vertonung von Krzysztof Myszkowski (aus seinem Solo-Album Oswojony / Gezähmt; 2012):
Infos zu Jan Rybowicz in dem Beitrag Nichts Neues im neuen Jahr
Podcast zu Jan Rybowicz
Bild: Mona El Falaky: Weibliche Skulptur (Pixabay)