Rökkurró: Hetjan á fjallinu (Der Held auf dem Berg)
Musikalischer Adventskalender 2024/3
Am Beispiel einer Bergbesteigung thematisiert die isländische Band Rökkurró in ihrem Song Hetjan á fjallinu (Der Held auf dem Berg) die Selbstüberwindung, die es oft kostet, seine Ziele im Leben zu verfolgen.
Der Held auf dem Berg
Mut funkelte in seinen Augen,
und seine Hände hörten auf zu zittern.
Klar stand ihm sein großes Ziel vor Augen:
Er würde den Berg bezwingen!
Er kannte den Weg ganz genau,
und er wusste, wie weit er war.
Der Weg erschien ihm ganz leicht.
Das Schwierigste war der Gedanke daran.
Auf halbem Weg zum Gipfel
spürte er sein Herz in schnelleren Galopp verfallen.
Als er kurz in den Abgrund unter sich sah,
umschloss der Dornenkranz der Angst in sein Herz.
Am Ende aber stand er, windzerschlissen,
auf dem Gipfel, unter Tränen lächelnd.
Den höchsten Gipfel hatte er in sich selbst erklommen:
Er hatte seine Angst besiegt.
Rökkurró: Hetjan á fjallinu aus: Það kólnar í kvöld … (Es wird kalt heute Nacht; 2007)
Ganzes Album (Hetjan á fjallinu darin Nr. 5, 16:40; anklickbar):
Isländische Musik: eine Erfolgsgeschichte mit Tücken
Isländische Musik ist schon lange kein Geheimtipp mehr. Mit Björk und der Band Sigur Rós hat das Land internationale Stars hervorgebracht, die sich überall auf der Welt auf feste Fangemeinden stützen können.
Beide haben, wie der als Musikproduzent, Singer-Songwriter und Mitglied mehrerer Bands aktive Ólafur Arnalds einräumt, den nachfolgenden Generationen „einen goldenen Pass“ verschafft, der „isländische, teils sperrige Musik im Ausland salonfähig gemacht“ hat. Dadurch waren isländische Musikschaffende nun aber auch auf diese Art von Musik festgelegt, die jenseits der Grenzen als typisch „isländischer Sound“ etikettiert wurde. Gemeint war damit eine Spielart natur- und heimatverbundener, zum Düsteren tendierender Musik.
Isländische Musikschaffende kommen an dem internationalen Ruf ihrer Musikszene und an den damit zusammenhängenden Stereotypen nicht vorbei. Sie müssen sich ihnen stellen, ob sie wollen oder nicht. Dies kann allerdings oft auch produktiv sein und neue musikalische Ansätze hervorbringen.
Über die Band Rökkurró

Die Band Rökkurró – der Name ist eine Zusammensetzung aus „rökkur“ (Dämmerung/Zwielicht) und „ró“ (Ruhe) – wurde 2006 in Reykjavik gegründet. Auf einen in Eigenregie herausgebrachten Extended Player folgten zwischen 2007 und 2010 zwei Alben bei dem Label 12 Tónar, ehe die Band 2014 mit Innra wieder zur unabhängigen Produktion ihrer Musik (unter dem Label Rökkurró Music) zurückkehrte.
Innra war zudem das erste englischsprachige Album der Band, nachdem die Songs zuvor in isländischer Sprache gesungen worden waren. Die längere Albumpause zwischen 2010 und 2014 erklärt sich durch einen Studienaufenthalt der Sängerin Hildur Kristín Stefánsdóttir in Japan.
Die Band kreiert schon allein durch die Sängerin und deren Sopranstimme, die sich mit eingängigen Folk-Melodien und teils experimentellen Instrumentalpassagen verbindet, einen ganz eigenen, unverwechselbaren Sound.
Zu dem Song Hetjan á fjallinu
Die Texte von Rökkurró weisen zwar vielfach einen philosophischen Kern auf, beziehen sich dabei aber nicht auf den heimischen Sagen- und Legendenschatz, sondern nutzen Naturbilder, um allgemein menschliche Existenzfragen zu thematisieren. So kreist Hetjan á fjallinu (Der Held auf dem Berg) um die Problematik der Selbstüberwindung und Selbstfindung.
Die Bergbesteigung ist hier in erster Linie ein Bild für die Selbstüberwindung, die man aufbringen muss, um sich scheinbar unerreichbaren Zielen im Leben zu widmen. Dies kann eine außergewöhnliche sportliche Leistung sein, ein Berufswunsch oder ein wie auch immer gearteter Lebenstraum, aber auch schlicht die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit sein. In diesem Sinne wäre die Bergbesteigung eine Metapher für den oft steinigen Weg eines Menschen zu sich selbst.
Mehr Musik aus Island:
Nordische Musikkulturen, S. 53 – 63: Island: Punk und raunende Elfen (PDF, 2021)
Zitat von Ólafur Arnalds entnommen aus:Gisler, Silvan: Ein bisschen wie im Fussball: Warum Island auch musikalisch vielen überlegen ist; watson.ch, 30. Juli 2016.
Bilder: Jaume Morera i Galícia (1854 – 1927): Peñalara (2.430 hoher Berg in der Sierra de Guadarrama in Zentralspanien); um 1890; Barcelona, Museu Nacional d’Art de Catalunya (Wikimedia commons); Dktrfz: Die Band Rökkurró bei einem Auftritt in Reykjavik, 2009 (Wikimedia commons)