Robert de Souza: Le sommeil des cygnes (Der Schlaf der Schwäne) / Sleeping Swans

English Version

Das Werk des französischen Dichters Robert de Souza (1864 – 1946) ist zu Unrecht in Vergessenheit geraten. Dies zeigt beispielhaft sein Gedicht Le sommeil des cygnes (Der Schlaf der Schwäne). Es ist erkennbar symbolistisch inspiriert, weist jedoch einen ganz eigenen meditativen Ton auf.

Robert de Souza gehört heute zu den vergessenen Dichtern des Fin de Siècle. Selbst seine Lebensdaten sind nur lückenhaft bekannt. Das Wenige, das wir von ihm wissen, ergibt folgendes Bild:
Der Dichter wurde 1864 in Paris geboren. Dort arbeitete sein Vater – dessen Familie ursprünglich aus der Auvergne stammte, aber bereits im 17. Jahrhundert nach Portugal ausgewandert war – als Attaché an der portugiesischen Gesandtschaft. 1891 heiratete de Souza Jeanne Issaverdens, deren armenischstämmige Familie nach der Geburt der Tochter von Konstantinopel nach Marseille übergesiedelt war.
Mit seiner Frau zog de Souza nach Nizza, wo er sich seit der Jahrhundertwende intensiv mit Stadtentwicklungsfragen beschäftigte. In einer ausführlichen, 1913 erschienenen Studie (Nice, capitale d’hiver – Nizza, Hauptstadt des Winters) hat er sich kritisch mit der Entwicklung Nizzas seit 1860 auseinandergesetzt. Dieser Teil seiner geistigen Arbeit ist derjenige, der bis heute am meisten rezipiert und gewürdigt wird.
Mitte der 1930er Jahre ist de Souza wieder nach Paris zurückgezogen. In seinen letzten Lebensjahren hat er sich schwerpunktmäßig mit philologischen und sprachwissenschaftlichen Fragestellungen beschäftigt (u.a. mit der Troubadourlyrik). Der Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Paris zwang de Souza 1940 zur Flucht nach Brive-La-Gaillarde, wo er sich zusammen mit seinem Sohn und einem Freundeskreis in der Résistance engagiert hat. Zwei Jahre nach seiner Frau, mit der er sein Leben lang zusammengelebt hat, ist er 1946 gestorben.
De Souzas symbolistisch geprägte Dichtung ist überwiegend in den 1890er Jahren entstanden. Eine Gesamtausgabe seiner „poésies et poèmes“ (Untertitel) veröffentlichte er 1923 unter dem Titel Modulations. Formal folgt die Dichtung de Souzas seinem Ideal des „vers libre“, dem freirhythmischen (dabei allerdings nicht unbedingt reimlosen) Vers.
Dieses Ideal hat er, ebenfalls in den 1890er Jahren, auch in ausführlichen Studien theoretisch untermauert. Daneben betätigte er sich als Herausgeber eines Almanach des poètes und veröffentlichte diverse literaturkritische Aufsätze.
Dies alles zeugt davon, dass de Souza zu seiner Zeit eine herausgehobene Stellung in der Literaturszene einnahm. Umso unverständlicher ist es, dass sein Werk heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist.

weitere Informationen zur Biographie de Souzas:  Cervera, Suzanne: Nice, capital d’hiver: Robert de Souza, poète, érudit et urbaniste précurseur. Recherches Régionales 2012, n° 201, S. 66 – 77.

ausführliches Essay zu de Souza mit weiteren Nachdichtungen: Robert de Souzas Gedichtzyklus Du trouble au calme. Nachdichtung und Analyse; rotherbaron.com, 27. März, 2019

Robert de Souza: Le sommeil des cygnes. In: Modulations. Poésies et poèmes. Édition définitive [Gesamtausgabe der Gedichte], S. 150 f. Paris 1923: Crès.

Nachdichtung: Der Schlaf der Schwäne

Weiße Kähne mit eingerolltem Segel,
so schlafen im Schilf die Schwäne,
geschaukelt vom Wiegenlied des Windes
in der perlmutternen Bucht.

Mit schweigsamen Blicken
leuchten weiße, halb geschloss’ne Blumensterne
aus dem Himmelssee, in dem die Schwäne ruhen,
wie Neugebor’ne eingehüllt in ihren weißen Flaum.
Mit ihrem matten Schimmer
umglänzen sie die kindliche Genügsamkeit
und dringen durch die Rosennetze,
die der Abendnebel ausgeworfen hat.
Und sie wachen über ihre Unschuld.

Ein winterlicher Frieden legt sich um die Dinge,
die unnahbar scheinen wie ein schneereines Herz,
dessen Berührung dich im Innersten erzittern lässt.
Bläulich schwindet die Hast des Tages
in der rosanen Blässe der Wellenschrift,
in den Linien, die sich überschneiden und vereinen
zu einem Kreis um den silbernen Schlaf der Schwäne.

Um den reinen Schimmer ihrer Träume
legt sich die dichte Nebeldecke der Nacht.
Doch – noch reiner als sie – verdrängt sie lächelnd
mit ihren zarten Fingern die Mondmutter,
die makellose, die leuchtend wacht
über die Ruhe der weißen Wiegen.

English Version

Robert de Souza: Le sommeil des cygnes (Sleeping Swans)

The work of the French poet Robert de Souza (1864 – 1946) has been unjustly fallen into oblivion. This can be exemplified by his poem Le sommeil des cygnes (The Sleep of the Swans / Sleeping Swans). It is obviously inspired by symbolism, but has a meditative tone all of its own.

Robert de Souza is today one of the forgotten poets of the Fin de Siècle. Even the biographical data of his life are only incompletely documented. The little that we know results in the following picture:
The poet was born in Paris in 1864. There his father – whose family originally came from the Auvergne region, but had already emigrated to Portugal in the 17th century – worked as an attaché at the Portuguese legation. In 1891, de Souza married Jeanne Issaverdens, whose family of Armenian origin had moved from Constantinople to Marseille after the birth of their daughter.
With his wife, de Souza moved to the city of Nice in Southern France, where he worked intensively on urban development issues since the turn of the century. In a detailed study published in 1913 (Nice, capitale d’hiver – Nice, capital of winter), he critically examined the development of Nice since 1860. This part of his intellectual work is the one most received and appreciated to this day.
In the mid-1930s, de Souza moved back to Paris. In the last years of his life, he focused on philological and linguistic issues (including troubadour poetry). The invasion of Paris by the German Wehrmacht forced de Souza to flee to Brive-La-Gaillarde in 1940, where he became involved in the Résistance with his son and a circle of friends. He died in 1946, two years after his wife, with whom he had lived all his life.
De Souza’s symbolist poetry was written mainly in the 1890s. In 1923, he published a complete edition of his „poésies et poèmes“ (subtitle) under the title Modulations. Formally, de Souza’s poetry follows his ideal of a „vers libre“, i.e. a free-rhythmic (though not necessarily rhyme-less) verse.
This ideal he also theoretically substantiated in extensive studies in the 1890s. Furthermore, he edited an Almanach des poètes and published various essays on literary criticism.
All of this testifies to the fact that de Souza assumed a prominent position in the literary scene of his time. It is therefore all the more incomprehensible that his work has largely fallen into oblivion today.

Further information on the biography of de Souza (French): Cervera, Suzanne: Nice, capital d’hiver: Robert de Souza, poète, érudit et urbaniste précurseur. Recherches Régionales 2012, n° 201, S. 66 – 77.

Detailed essay on de Souza (German): Robert de Souzas Gedichtzyklus Du trouble au calme. Nachdichtung und Analyse; rotherbaron.com, March 2019

Poetic Adaptation: Sleeping Swans

White floats with furled sails,
that’s how the swans sleep in the reeds,
swayed by the lullaby of the wind
in the nacreous bay.

Silently gazing,
half-closed flower stars are shining
from the heavenly lake where the swans are at rest,
like newborns wrapped in their white fluff.
With their shivering shimmer
they gleam around the childlike contentment
and penetrate the rose nets
that the evening mist has thrown out.
And they watch over their innocence.

A wintry peace envelops all things,
unapproachable like a heart pure as snow,
whose touch makes you tremble inside.
The bluish haste of the day fades away
in the rosy pallor of the ripple’s writing,
in the lines that merge and intertwine
to a circle around the silver sleep of the swans.

The pure glimmer of their dreams
is guarded by the misty blanket of the night.
But – even purer than the flock of feathers –
the moon mother removes the mist
with her delicate fingers.
Luminously she, the immaculate one,
watches over the white calm of the cradles.

Bild /Image: Pexels: Sky (Pixabay)

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