Robert de Souza: Le sommeil des cygnes (Der Schlaf der Schwäne)

Meditation mit  Text (Nachdichtung von D. Hoffmann)  und Musik von Camille Saint-Saëns ( Der Schwan  aus: Karneval der Tiere, 1886)

Freie Nachdichtung von Dieter Hoffmann (rotherbaron):

Der Schlaf der Schwäne

Weiße Kähne mit eingerolltem Segel,
so schlafen im Schilf die Schwäne,
geschaukelt vom Wiegenlied des Windes
in der perlmutternen Bucht.

Mit schweigsamen Blicken
leuchten weiße, halb geschloss’ne Blumensterne
aus dem Himmelssee, in dem die Schwäne ruhen,
wie Neugebor’ne eingehüllt in ihren weißen Flaum.
Mit ihrem matten Schimmer
umglänzen sie die kindliche Genügsamkeit
und dringen durch die Rosennetze,
die der Abendnebel ausgeworfen hat.
Und sie wachen über ihre Unschuld.

Ein winterlicher Frieden legt sich um die Dinge,
die unnahbar scheinen wie ein schneereines Herz,
dessen Berührung dich im Innersten erzittern lässt.
Bläulich schwindet die Hast des Tages
in der rosanen Blässe der Wellenschrift,
in den Linien, die sich überschneiden und vereinen
zu einem Kreis um den silbernen Schlaf der Schwäne.

Um den reinen Schimmer ihrer Träume
legt sich die dichte Nebeldecke der Nacht.
Doch – noch reiner als sie – verdrängt sie lächelnd
mit ihren zarten Fingern die Mondmutter,
die makellose, die leuchtend wacht
über die Ruhe der weißen Wiegen.

 

Französischer Originaltext:

papyrusrolle

Robert de Souza: Le sommeil des cygnes; aus dem Zyklus Du trouble au calme. In: Sources vers le fleuve; hier zit. nach: Modulations. Poésies et poèmes. Édition définitive [Gesamtausgabe der Gedichte], S. 150 f. Paris 1923: Crès.

Informationen zu Robert de Souza

Robert de Souza wurde 1864 in Paris geboren. Dort arbeitete sein Vater – dessen Familie ursprünglich aus der Auvergne stammte, aber bereits im 17. Jahrhundert nach Portugal ausgewandert war – als Attaché an der portugiesischen Gesandtschaft. 1891 heiratete de Souza Jeanne Issaverdens, deren armenischstämmige Familie nach der Geburt der Tochter von Konstantinopel nach Marseille übergesiedelt war. Mit seiner Frau zog de Souza nach Nizza, wo er sich seit der Jahrhundertwende intensiv mit Stadtenwicklungsfragen beschäftigte. In einer ausführlichen, 1913 erschienenen Studie (Nice, capitale d’hiver – Nizza, Hautpstadt des Winters) hat er sich kritisch mit der Entwicklung Nizzas seit 1860 auseinandergesetzt.

Mitte der 1930er Jahre ist de Souza wieder nach Paris zurückgezogen. In seinen letzten Lebensjahren hat er sich schwerpunktmäßig mit philologischen und sprachwissenschaftlichen Fragestellungen beschäftigt (u.a. mit der Troubadourlyrik). Der Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Paris zwang de Souza 1940 zur Flucht nach Brive-La-Gaillarde, wo er sich zusammen mit seinem Sohn und einem Freundeskreis in der Résistance engagiert hat. Zwei Jahre nach seiner Frau, mit der er sein Leben lang zusammengelebt hat, ist er 1946 gestorben.

De Souzas symbolistisch geprägte Dichtung ist überwiegend in den 1890er Jahren entstanden. Eine Gesamtausgabe seiner „poésies et poèmes“ (Untertitel) veröffentlichte er 1923 unter dem Titel Modulations. Formal folgt die Dichtung de Souzas seinem Ideal vom „vers libre“, dem freirhythmischen (dabei allerdings nicht unbedingt reimlosen) Vers. Dieses Ideal hat er, ebenfalls in den 1890er Jahren, auch in ausführlichen Studien theoretisch untermauert. Daneben betätigte er sich auch als Herausgeber eines Almanach des poètes und veröffentlichte diverse literaturkritische Aufsätze, so dass er zu jener Zeit eine herausgehobene Stellung in der Dichterszene einnahm.

Für ausführlichere Informationen zur Biographie de Souzas vgl. Cervera, Suzanne: Nice, capital d’hiver: Robert de Souza, poète, érudit et urbaniste précurseur. Recherches Régionales 2012, n° 201, S. 66 – 77.

Weitere Übertragungen von Gedichten Robert de Souzas sowie ein ausführliches Essay zu diesem Dichter erscheinen demnächst.

Nachweise

Musik:
Camille Saint-Saëns: Der Schwan. Aus: Karneval der Tiere, 1886
Fotos:
PIXABAY:
Alexandra: Schlafender Schwan
Jürgen Sachse: Waterbird
Bridget Oglesby: Sunset
Kerttu: Sunset
Hans Braxmeier: Schwan
Micha: Schwan
Silvia und Frank: Babyschwan
Hans Benn: Schwanenküken
Johnannes Plenio: Dawn
Silvia und Frank: Schwanküken
Natalia Kollegova: Wild swan
Alexandra: Gefieder
Christine Sponchia: Feder
Unnown: Beautiful
Unknown: Sunset
Pexels: Sky (18)
FOTOLIA:
Valentin Valkov: Heart shape of white swans in the sea (16)
Artmans: Full moon (19)
Imageteam: Vollmond am See (20)
123 RF:
Camilla218: Swan lake (17)
Zhanna Ocheret: Schwäne auf dem See bei Nacht (21)
Beitragsbild:
Zhanna Ocheret: Schwäne auf dem See bei Nacht

5 Antworten auf „Robert de Souza: Le sommeil des cygnes (Der Schlaf der Schwäne)

  1. Nate

    Selten habe ich eine so wunderschöne Übertragung gelesen. Sie sind ein wahrer Poet!!! Das kleine Video ist ganz außergewöhnlich gelungen. Die Musik, die Bilder, die Worte: Alles genau abgestimmt. Ein Geschenk an die Suchenden, die auch im Internet etwas für Geist und Seele suchen … und allzu selten etwas so Schönes finden …

    Gefällt 1 Person

  2. Pingback: Robert de Souza: Die Weide (Le saule) – LiteraturPlanet

  3. Pingback: Robert de Souzas Gedichtzyklus „Du trouble au calme“ – rotherbaron

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